Bildungspolitik in Berlin: Gemeinschaft macht Schule

Nach zehn Jahren Probephase wird aus der Gemeinschaftsschule endlich eine reguläre Schulform. Der CDU passt das nicht.

Ein Schüler meldet sich im Unterricht

In der Gemeinschaftsschule hat jede/r was zu sagen Foto: dpa

Vor gut einem Jahrzehnt wurde um die Gemeinschaftsschule in Berlin fast eine Art Kulturkampf geführt. Seit Dienstag ist dieser endgültig entschieden: Die Schulart, bei der Kinder aller Leistungsstufen zusammen unterrichtet werden und die bislang als Pilotprojekt getestet wurde, wird als reguläre Schulform im Schulgesetz verankert. Das hat der rot-rot-grüne Senat beschlossen. „Damit leisten wir einen weiteren Beitrag zur Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg“, erklärt Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Auf Drängen der Linkspartei war das Pilotprojekt Gemeinschaftsschule ein inhaltlicher Schwerpunkt der rot-roten Koalition unter Klaus Wowereit zwischen 2006 und 2011 geworden – auch gegen Widerstände aus der SPD. Zum Schuljahr 2008/9 wurden die ersten Gemeinschaftsschulen gebildet, anfangs in jedem Bezirk eine. Heute gibt es laut der Schulverwaltung 24 solcher Schulen in Berlin, in denen gemeinsam von der ersten bis zur zehnten beziehungsweise dreizehnten Klasse gelernt wird.

Das Projekt wurde von Beginn an wissenschaftlich begleitet. Der vor zwei Jahren vorgestellte Abschlussbericht hat dann zumindest bei SPD, Grünen und Linken die verbliebenen Zweifel am Sinn dieser Schulform ausgeräumt. Darin wird zum einen festgestellt, dass sowohl schwächere wie stärkere Schüler deutliche Lernfortschritte machen; zum anderen, dass in diesen Schulen die soziale Herkunft deutlich weniger Auswirkungen auf die Leistungen hat als bei anderen Schularten. Und: „Diese Schulen sind im Allgemeinen sehr beliebt, was sich etwa an den Anmeldezahlen zeigt“, sagt Beate Stoffers, Sprecherin der Schulsenatorin.

Laut Stoffers gibt es derzeit in vielen Bezirken weitere Schulen, die überlegen, Gemeinschaftsschulen zu werden – genaue Zahlen oder gar Namen wollte sie indes nicht nennen. Dass die Schulform fortan im Gesetz verankert ist, mache diesen Schritt leichter, weil das Prozedere nun klar geregelt sei.

Der Senat hat weitere Änderungen im Schulgesetz beschlossen. So werden die Hürden für die Aufnahme auf Abendgymnasien gesenkt. Künftig reicht der Nachweis einer zweijährigen Berufstätigkeit für die Anmeldung; bisher mussten es mindestens drei Jahre sein. Auch kann dieser zweite Bildungsweg bereits mit 18 Jahren statt wie bisher mit 19 Jahren begonnen werden. (bis)

„Wir begrüßen die Verankerung im Schulgesetz sehr“, sagt auch Tom Erdmann, Berliner Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Allerdings finde man auch, dass die Bildungsverwaltung die im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag formulierten Ziele zur Gemeinschaftsschule trotz allem nicht entschlossen genug vorantreibe. „Da steht ganz klar, dass die Schulneubauten vorrangig als Gemeinschaftsschulen geplant werden sollen.“ Davon merke man bei den mehr als 60 geplanten Schulneubauten allerdings nichts.

Auf Drängen der Linkspartei war Gemeinschaftsschule ein inhaltlicher Schwerpunkt der rot-roten Koalition zwischen 2006 und 2011.

Bei der CDU ist man nach wie vor wenig glücklich über die Etablierung der Gemeinschaftsschule. „Da wurde jetzt eine Schulart ins Schulgesetz aufgenommen, über die man längst nicht alles weiß, was man eigentlich für einen solchen Schritt wissen müsste“, sagt die bildungspolitische Sprecherin Hildegard Bentele. Sie fordert, dass die Schulverwaltung „harte Fakten auf den Tisch legen“ müsse, wie erfolgreich die Gemeinschaftsschulen tatsächlich gearbeitet haben. „Wie viele schaffen den Mittleren Schulabschluss, wie vielen gelingt der Wechsel in die Oberstufe – alles das sagt die Begleitstudie ja nicht.“

Kritisch sieht Bentele auch, dass Grundschuleltern jetzt keine Wahl mehr haben, wenn die Einzugsgrundschule im Kiez eine Gemeinschaftsschule ist. „Die Entscheidung für das Konzept muss freiwillig bleiben“, so Bentele.

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