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: Gewalt und was daraus folgt

„No Way Out“ (Der Hass ist blind), USA 1950, Regie: Joseph L. Mankiewicz)

Ein Konflikt zwischen zwei Männern steht im Zentrum von Joseph L. Mankiewicz’„No Way Out“ (deutscher Titel: „Der Hass ist blind“) von 1950. Der junge schwarze Arzt Luther Brooks (Sidney Poitier) sieht sich mit dem Rassismus des jungen weißen Kriminellen Ray Biddle (Richard Widmark) konfrontiert. Brooks behandelt Biddle und dessen Bruder, als diese mit Schussverletzungen ins Gefängniskrankenhaus kommen. Der Bruder stirbt, Biddle gibt Brooks die Schuld und schleudert ihm jede denkbare Beschimpfung ins Gesicht. „Hass spricht“ wäre ein angemessener Titel des Films. Und Hass handelt, blinde Mordwut treibt Biddle an bis zum Showdown am Schluss. Das zunächst vorgesehene düstere Ende wurde vor Drehbeginn zum Happy End umgeschrieben.

Mankiewicz, einer der besten Hollywood-Drehbuchautoren seiner Zeit, bettet den Konflikt in ein komplexes Gesamtbild. Ein Kreis von Figuren verkörpert, so individualisiert wie repräsentativ, Positionen der Zeit: Der liberale weiße Arzt Dr. Wharton steht Brooks bei, verschwindet, als es hart auf hart kommt, jedoch aus dem Bild. Der Direktor des Krankenhauses thematisiert den ökonomischen wie ideologischen Druck der Gesellschaft. Im Fahrstuhl des Krankenhauses arbeitet ein Schwarzer als „Liftboy“, der Brooks für seine Karriere in der weißen Gesellschaft kritisiert.

Als eine Art Femme fatale wechselt Edie Johnson (Linda Darnell), die entfremdete Witwe des verstorbenen Bruders, die Lager. Erst facht sie die Wut der Weißen an, dann stellt sie sich gegen den Hass. Sie ist im übrigen die Ex-Geliebte Ray Biddles, hat also dessen Bruder mit diesem betrogen, ein typischer Move von Mankiewicz, der den meisten Figuren, wenn auch in der Kürze etwas schematisch, Brechungen gibt und die Chance zur Entwicklung. Im Radio läuft immer wieder Jazz, von schwarzen Musikern und von weißen, von Duke Ellington bis Eddie Miller.

Eine von Ambivalenzen nicht ganz freie ­Figur ist auch Brooks, der, ständig beschimpft und mehrfach bespuckt, nicht einfach ein ­Heiliger ist, sondern gelegentlich wütend und stur mit seiner Familie umgeht, die ebenfalls vergleichsweise ausführlich vorgestellt wird, auch im Konflikt. Seine Mutter sähe ihn lieber in einem besser bezahlten Job bei einem schwarzen Arzt in ihrem Viertel. Sein Bruder büffelt für einen Briefträgerjob und zieht mit dem Segen der Mutter und gegen den Willen des Bruders in den Kampf gegen die sich zusammenrottenden Weißen aus dem Arbeiterviertel Beaver Canal. Mankiewicz zeigt den Beginn derrace riots,er suggeriert Gewalt, zeigt dann ihre Folgen: verletzte Weiße und ein toter Schwarzer im Krankenhaus. Und wieder ein Weißer, der lieber leidet, als von einem schwarzen Arzt behandelt zu werden.

Die mitunter atemberaubend deutliche Darstellung von Rassismus und seiner sozialen Hintergründe zwingt Mankiewicz in einen Plot, der zwischen Western-Motiven, Film-Noir-Anleihen, Soap-Opera und Krankenhaus-Drama mal interessant, mal ein wenig unausgegoren hin und her oszilliert, aber aus jedem Genre interessante Momente bezieht. So oder so ist „No Way Out“ ein erstaunlicher Film. Die Beleidigungen Biddles sind so heftig, dass sich Richard Widmark, der mit Sidney ­Poitier befreundet war, zwischen den Aufnahmen persönlich entschuldigt haben soll. ­Mankiewicz hatte mit „All About Eve“ zuvor einen Oscar-dekorierten Film gemacht. „No Way Out“ wurde nicht mehr als ein Achtungserfolg. Obwohl fraglos einer der wichtigsten Hollywoodfilme zum Thema Rassismus, ist er heute weithin vergessen. Ekkehard Knörer

Als Import ist die DVD ab 17 Euro erhältlich.