Mit Bach und Wein im Wohnzimmer

Wer ins Kulturhaus Ronning eingeladen wird, erlebt dort mehrmals im Jahr Hausmusik im besten Sinne – und Cembali, die genau dort von Christian Kuhlmann gebaut wurden

Sieht schon in der Herstellung nach Spiel aus: Cembalo-Werkstatt im Kulturhaus Ronning Foto: Jörg Sarbach

Von Jan Zier

Der Konzertsaal der alten Villa in der Benquestraße ist mit lauter alten Teppichen ausgelegt, und an der Wand hängt ein ganzes Herbarium, handkolorierte Stiche aus dem 16. Jahrhundert. Neben dem Fenster gibt es ein altes Basshorn und dazwischen steht eine Art Nähtischchen, das sich als kleines Klavier entpuppt, sobald man den Deckel anhebt. In der Ecke, etwas versteckt, findet sich das große Porträt des Kaufmanns Carl Ronning, dessen Wohnzimmer das früher mal war, daneben steht ein alter Schrank, „auch über 100 Jahre alt“, wie Christian Kuhlmann beiläufig sagt. Er ist Ronnings Urenkel – und Cembalobauer. Deshalb steht am langen Ende des Raumes ein Instrument, das Kuhlmann selbst erbaut hat, der Nachbau – nein, kein Imitat – eines historischen Instruments eines alten Meisters.

Kuhlmann, ein gelernter Tischler, wohnt hier, im vornehmen Schwachhausen und bei seiner Mutter zur Miete. Ein paar Mal im Jahr öffnet er das „Kulturhaus Ronning“, wie er es nennt, für das Publikum. Zusammen mit seiner Frau, einer Barockgeigerin, veranstaltet er mehrmals im Jahr Konzerte, seit zwölf Jahren schon. Bis zu 50 BesucherInnen kommen dann hierher, in sein Wohnzimmer, und natürlich wird Cembalo gespielt. Aber nicht nur.

Die Konzerte gibt es für sozialverträgliche 35 Euro, und in diesem Preis sind sogar noch eine Suppe, das Dessert und der Wein inbegriffen. Früher gab es bei diesen Abenden ein großes Buffet, da war das Interesse noch größer, sagt Kuhlmann. Aber die Leute sollen wegen der Musik kommen.

Die Konzerte, man könnte sie für reine Werbung halten – aber das sind sie nicht, jedenfalls nicht im kommerziellen Sinn. „Damit ist kein Geld zu verdienen“, sagt Christian Kuhl­mann. Und mehr Cembali verkauft er deswegen auch nicht. Er hat sich mit dem Kulturhaus Ronning ganz einfach „einen Traum“ erfüllt, wie er sagt. Es sind Hauskonzerte, im besten Sinne des Wortes, und die MusikerInnen, die hier auftreten, allesamt hochkarätig. Im Herbst etwa kommt der mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Cembalist Jörg Halubek, mittlerweile Professor in Stuttgart, und spielt zusammen mit der Barockviolinistin Leila Schayegh, die auch als Solistin beim Bremer Musikfest auftritt.

So ein Konzert im Kulturhaus Ronning ist ein bisschen wie die Tour durch kleine Klubs, die große Bands manchmal machen. Denn während die Musikerinnen oben auf den Podien der großen Konzerthäuser schon in der ersten Reihe weit weg sind, begegnen ihnen die Leute hier auf Augenhöhe. Und sprechen sie hinterher an. Der Gast sitzt den KünstlerInnen beinahe auf dem Schoß, und noch ganz hinten kann man das Zupfen der Seiten sehen, kann man die MusikerInnen atmen, umblättern hören. Das gibt es in der Bremer Glocke nicht.

Die Cembali, die dabei gespielt werden, entstehen, unten im Parterre, wo der Urgroßvater einst sein Büro hatte, mit Blick ins Grün. Aus dem Erker der Werkstatt blickt man in einen weitläufigen Garten. Carl Ronning verdiente als Kaffeeröster in Bremen einst viel Geld: Seine Firma war damals die erste, die Kaffee abgepackt verkaufte; vor 50 Jahren übernahm Melitta sie trotzdem.

Wer glaubt, dass die Cembalomusik sich seit dem Barock nicht weiter­entwickelt hat, der irrt

Und wie man so ein Cembalo baut, brachte Kuhlmann sich einfach selbst bei. Er hat nie ein Buch darüber gelesen und auch nie Musik studiert, ja: Er kann das Instrument selbst nicht einmal wirklich gut spielen. Er hat einfach irgendwann angefangen. Aber die Instrumente aus seinem „Atelier für Cembalobau“ haben in der Szene einen guten Ruf. 450 Stunden baut Kuhlamnn an einem Stück, drei bis vier Monate also, und alles ist reine Handarbeit. Rund 20.000 Euro kostet das Cembalo am Ende. Reich wird sein Erbauer nicht: „Wer viel Geld verdienen will, wird nicht Cembalobauer“, sagt Kuhlmann. Seinen Künstlern zahlt er trotzdem 1.000 Euro Gage.

Übrigens: Wer glaubt, dass die Cembalomusik sich seit dem Barock nicht weiterentwickelt hat, der irrt: Auch zeitgenössische Komponisten wie György Ligeti haben das Cemablo benutzt, in dem Thema der schwarz-weißen „Miss Marple“-Filme kommt es vor, und bei den Beatles, den Doors und den Rolling Stones auch. Jörg Halubek und Leila Schayegh werden gleichwohl Bach spielen, und zwar Carl Philipp Emanuel, der damals berühmter war als sein Vater.

Wer eine Karte für das Konzert haben möchte, muss sich an Christian Kuhlmann wenden, muss eingeladen werden, schließlich geht es um ein Hauskonzert. Die Karten gibt es also nicht im freien Handel. Trotzdem entscheiden sich manche der Gäste erst ganz zuletzt und eher spontan, erzählt Kuhlmann, der auch mal einen Musiker aus Paris einfliegen lässt. Für ihn als Veranstalter ist das ein Problem. Manchmal geht es dann um die Frage: Kann das Konzert überhaupt stattfinden? Im vergangenen Jahr stand die Konzertreihe deshalb schon mal vor dem Aus – während es 2013 noch neun Konzerte im Jahr gab. Aber die Planungen für 2019, sie laufen schon.

Kulturhaus Ronning, Benquestraße 56. Internet: www.cembalo-bremen.de