geht’s noch?
: Toni Kroos

Auch Toni Kroos hat sich zu den Vorwürfen seines Nationalelf-Kollegen Mesut Özil geäußert. Nun steht die Verteidigungslinie: Wir sind keine Rassisten, weil wenn wir's wären, wüssten wir's

Wir lernen Englisch mit dem DFB. „Say No to Racism“ heißt auf Deutsch: „Sag Nein zu Rassismusvorwürfen!“ Das ist die ganz besonders deutsche Form der Weltoffenheit, die sich gerade präsentiert.

Toni Kroos hat sich nun Wochen nach dem Rücktritt seines Fußballkollegen Mesut Özil geäußert: „Ich denke, dass er selbst weiß, dass es Rassismus innerhalb der Nationalmannschaft und des DFB nicht gibt.“

Das ist die Sprachregelung, an die sich nun Toni Kroos und vor ihm Manuel Neuer und Thomas Müller und davor die Presseabteilung des DFB halten: „Kein Rassismus in der Nationalelf und im DFB.“ Dass Mesut Özil von der Nationalelf gar nicht gesprochen hat, interessiert niemanden. Und für den DFB und all seine sieben Millionen Mitglieder eine Ehrenerklärung abgeben zu wollen ist gewagt.

Aber so gewagt vielleicht doch nicht, wenn einer wie Toni Kroos derart offensichtlich kundtut, gar keine Ahnung zu haben. „Wir setzen uns ja immer wieder aus Überzeugung für Vielfalt und Integration ein“, hat Kroos der Bild anvertraut. „Mesut war dafür ein gutes Beispiel, wie viele andere unserer Mitspieler auch.“ Der Gelsenkirchener Özil wurde also integriert? So wie Jérôme Boateng aus Berlin-Charlottenburg auch? Und der Stuttgarter Sami ­Khedira? Oder der Berliner Antonio Rüdiger?

Um möglichst nicht missverstanden zu werden: Mir ist es egal, dass Toni Kroos der einzige deutsche WM-Teilnehmer ist, der nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes geboren wurde (im Januar 1990 in der DDR). Aber noch deutlicher als Kroos konnte man ja kaum noch formulieren, dass es bei der Nationalelf ums richtige, ums deutsche Blut geht.

In genau dem Moment, in dem Solidarität mit einem rassistisch beleidigten Kollegen und Freund angesagt wäre, wenden sich Mitspieler wie Toni Kroos von Mesut Özil ab. Und gefallen sich darin, das zu praktizieren, was in Deutschland immer funktioniert, wenn Vertreter von Minderheiten Diskriminierung beklagen: Dann kommt die Mehrheitsgesellschaft, ernennt sich selbst zum neutralen Schiedsrichter, der mit der Sache gar nichts zu tun hat – die anderen sind ja „Betroffene“ und also „befangen“, oft reagieren sie auch „übersensibel“. Wer sich über Diskriminierung beklagt, kriegt freundlich gesagt, er oder sie solle sich nicht so haben, das sei ja alles halb so wild, und wenn da wirklich Rassismus wäre, dann hätten ihn die Kroosens schon persönlich weggekickt. Martin Krauß