Selbst die taz hat ein Problem mit ungebetenen Hausgästen

Ratten im taz-Haus: Ein multinationaler Konzern löst das Problem schnell und einfach. Anruf genügt. Was aber hat der „große Rattengeist“ damit zu tun?

Von Helmut Höge

In der taz sind immer mal wieder Ratten. Dabei geht es nur darum, gelegentlich die Rattenfallen im Keller und unter der Nottreppe zu kontrollieren. Sie werden von „Rentokil“ aufgestellt. Dahinter verbirgt sich ein multinationaler Konzern, den es wie Coco-Cola, Starbuck’s und McDonald’s auf der ganzen Welt gibt. Sie kommen auf Anruf.

Bei einer Kneipe in der Nähe ist dieselbe Firma für die Toiletten- und Küchenhygiene zuständig – und verbreitet dort einen ganz spezifischen Geruch. Der Wirt erklärte mir, kein anderer Berliner Schädlingsvernichter hätte seine Kakerlaken und Silberfischchen vernichten können: „Aber frag mich nicht, wie die Rentokil-Leute das geschafft haben!“

1994 habe ich einmal an einer Demo von Ostberliner Kammerjägern teilgenommen: Sie protestierten dagegen, dass seit der Wende jeder ihren Beruf ausüben darf: vergeblich. Sie gaben den lohndrückenden und gewerkschaftsfeindlichen Großunternehmen wie Rentokil die Schuld an ihrer Misere. Dennoch wandte ich mich als Aushilfshausmeister an Rentokil, als es galt, ein vom Hof in Nancys Kaffeeküche im ersten Stock eingedrungenes Rattenpärchen tot oder lebendig wieder von dort zu vertreiben. Und das gelang ihnen auch. Seitdem hat die taz, soviel ich weiß, eine Art Nagervernichtungsvertrag mit Rentokil.

Von einem Bekannten, der Psychologie studiert hatte, erfuhr ich, dass er mal die Rentokil-Leute an die Uni geholt hat: Sie sollten Laborratten in Käfigen töten – aber sie weigerten sich. Der Psychologiestudent hatte mit Ratten ein Labyrinth-Lernexperiment durchgeführt. Alles lief wunderbar, doch am Ende hieß es: Er müsse das Labor reinigen und die Ratten loswerden. Das hatte man ihm vorher nicht gesagt. Er bat mehrere Professoren um Rat: „Pack sie am Schwanz und schlage sie auf eine Tischkante“ oder „Erschlag sie mit einem Hammer“, sagten sie. Er war entsetzt. Sie nannten es die Tiere „opfern“.

Schließlich riet ihm ein älterer Doktorand: „Du musst dir Chloroform besorgen und es mit den Ratten in große, zylindrische Pappröhren tun – du musst sie vergasen.“ Das tat er schließlich. Aber weil dieser Massenmord ihm noch lange auf der Seele lag, bat er schließlich den „Großen Rattengeist“ um Vergebung, nachdem er „ein schamanistischeres Verständnis der wechselseitigen Verbundenheit im Netz des Lebens gewonnen hatte“.

Wir hatten, auf dem Land lebend, einen Nachbarn, der staatlicher Kammerjäger gewesen war und nun als Rentner in der Müllkippe gern Ratten mit seinem Kleinkalibergewehr jagte. Einmal lud er mich dazu ein, ich schoss einige Stunden auf die Tiere. In den darauf folgenden Nächten fielen im Traum Tausende von Ratten über mich her. Ich kannte keinen „Großen Rattengeist“, den ich um Vergebung bitten konnte, aber irgendwann wurde ich trotzdem erlöst.