Stefan Reinecke über mögliche CDU-Bündnisse mit Linkspartei und AfD
: Politik ohne Tabus

Noch gefährlicher als ein AfD-Landesminister wäre das Verschwimmen aller Unterschiede

Die CDU will im Osten keine Bündnisse mit der Linkspartei und der AfD eingehen. Womöglich wird sie allerdings, in Brandenburg oder Sachsen, dazu irgendwann gezwungen, weil Linkspartei und AfD zu stark sind. Was dann?

Viel spricht für den Vorschlag des sympathischen, liberalen Kieler CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther. Die Union solle in dieser misslichen Lage mit der Linkspartei regieren, keinesfalls aber mit der aggressiven, völkischen AfD. Die Linkspartei ist im Osten ja eine verlässliche, sozialdemokratische Partei, die eher langweilig als rebellisch wirkt. Landespolitik ist sowieso ungeeignet für weltanschaulichen Zwist.

Der Versuch, das Verhältnis zwischen CDU und Linkspartei zu entkrampfen, ist nicht neu. Lothar Bisky, der kluge damalige Linkspartei-Chef, war schon vor mehr als zehn Jahren offen für Annäherungen an die CDU. Damals wäre das ein ziviles Symbol gewesen, dass der Kalte Krieg, der noch in den Köpfen spukte, endlich vorbei war.

Die Ansagen aus dem Konrad-Adenauer-Haus, warum das Bündnis mit den GenossInnen ein No-go bleiben muss, klingen 2018 etwas ängstlich. Die CDU Spitze möchte ihren TraditionswählerInnen nach dem Ende der Atomkraft und dem Flüchtlingsherbst 2015 nicht auch noch den Gedanken zumuten, dass die Postkommunisten nicht mehr das Böse an sich sind. Der Bedarf an Feinden ist in der CDU höher als das seit 1990 geschrumpfte Angebot.

Muss sich die CDU also nur einen Ruck geben, alte Feindbilder einmotten, und sich auf Notbündnisse mit der Linkspartei einstellen? So einfach ist es nicht.

Der Demokratie würde eine solche Links-rechts-Koalition, anders als vor zehn Jahren, nicht nutzen. Sie wäre kein Ausdruck gelassener Normalität, sondern ein langsam wirkendes Gift, das zu weiteren Lähmungserscheinungen der Demokratie führt. Dazu muss man das größere Bild sehen. Der Aufschwung der Rechtspopulisten geht mit dem Niedergang der Volksparteien Union und SPD einher. Es geht nicht bloß darum, dass jene 20 Prozent, die schon immer für autoritäre Muster empfänglich waren, bei der AfD angedockt sind. Es geht um mehr.

Das System mit zwei Volksparteien, die jeweils Lagerbündnisse anführen können, ist kaputt. Damit überhaupt noch etwas geht, ist das Bündnis von Union und SPD von der Ausnahme zur Regel geworden. Die Große Koalition ruiniert indes ihre eigenen Voraussetzungen. Die SPD wird schwächer und schwächer. Doch es gibt kein Parteiensystem in einem mit Deutschland vergleichbaren Land, in dem eine Volkspartei langfristig alleine überlebte.

Die CDU mit allen Mitteln gegen Bündnisse mit der AfD zu imprägnieren ist moralisch ehrenwert und politisch naheliegend. Eine CDU-AfD-Regierung in Sachsen hat nicht nur von Leip­zig-Connewitz oder Dresden-Neustadt aus gesehen etwas Albtraumhaftes.

Trotzdem muss man den Preis sehen, den diese Operation kosten würde. Eine Regierung von CDU und Linkspartei wäre Symbol für ein Einheitssystem, das alles tut, um die AfD auszusperren. Reflexartig immer und überall konservative, liberale, grüne, sozialdemokratische und postkommunistische Parteien zusammenzuschweißen, um nur ja die AfD draußen zu halten, hilft der Propaganda der Rechtspopulisten, die gern einsame Helden spielen. Natürlich wäre die AfD in einer Landesregierung ein Risiko. Die Union müsste harte Kriterien anlegen, verbindliche Bekenntnisse gegen Rassismus und hate speech verlangen. Mindestens. Falls die AfD unfähig ist, sich zu mäßigen, wird zumindest sichtbar, dass sie verantwortungsscheue Maulhelden sind und keine ausgegrenzten Rebellen.

Politische Tabus aber nutzen langfristig nichts. Die CSU in Bayern steht der AfD in vielem näher als den Grünen. Die rechte CDU in Sachsen verbindet mehr mit der AfD als mit der Linkspartei in Sachsen.

Ein AfD-Landesminister wird eine Gefahr für die Demokratie sein. Aber die noch größere Bedrohung ist das Verschwimmen aller Unterschiede, die Unkenntlichkeit der Parteien, die uferlose Mitte.

Die Demokratie braucht, wenn sie nicht an Alternativlosigkeit ersticken will, die klare Unterscheidung von Rechts und Links, von Autoritär und Liberal. Eine CDU-Linkspartei-Regierung wäre derzeit keine vitale neue Koalition, sondern das Symbol eines technokratischen Politmanagements im Verfallsstadium.