Fifa schafft Korruption ab: Die Sprachgenies des Weltfußballs

Die Fifa hat das Wort „Korruption“ aus ihrem überarbeiteten Ethikkodex gestrichen. Wenn es doch immer so einfach wäre.

Ein Mann, in Großaufnahme, zeigt mit dem Zeigefinger auf sein Auge

Fifa-Präsident Gianni Infantino hatte eine Idee: Nach zahlreichen Korruptionsskandalen sollte er den Weltfußballverband reformieren Foto: imago/Zuma Press/Andrey Pronin

In der Entwicklung eines Kindes passiert, wenn alles einigermaßen gut läuft, irgendwann zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr Folgendes: Es begreift, dass etwas da ist, auch wenn es das soeben noch Betrachtete nicht mehr sieht. Das können unter einen Becher gerollte Würfel sein, oder im Schrank versteckte Karamellbonbons. Bis dahin halten Kinder sich schon mal beide Hände vors Gesicht und rufen, man möge sie nun suchen, weil sie annehmen, sie seien hervorragend versteckt. Das legt sich irgendwann, die Verstecke werden besser. Das Leben wird interessanter und komplexer, aber auch komplizierter.

Nicht so beim Weltfußballverband Fifa, der es gerade geschafft hat: das, was Dutzende Nichtregierungs­organisationen, Thinktanks, ­Beiräte und Kommissionen schon vor ihm versucht haben: Er hat die Korruption abgeschafft. Auf schlichte, geniale Weise: Er hat das Wort „Korruption“ einfach aus der neusten Auflage seines Ethikkodex … gestrichen!

Auf 58 erstmals seit 2012 wieder überarbeiteten Seiten des „Fifa Ethikkodex 2018“ findet sich kein einziges Mal mehr das Wort „Korruption“. Und das macht, mit Blick auf die Vergangenheit, natürlich total Sinn. Eingeführt 2004 unter Sepp Blatter, mutierte der Kodex ja unaufhaltsam mehr zu einer To-do-Liste (auf der das meiste längst abgehakt war) denn zu einem Maßstab für Moralisten.

Auch wegen der zahllosen Korruptionsvorwürfe und Ermittlungsverfahren gegen Blatter liegt die Reputation der Fifa nun heute vollends danieder. Sein Nachfolger, der zwinkernde, balzende, poussierend dauergrinsende Gianni Infantino, hat nun, ohne Korruption, viel bessere Chancen, die blütenweiße Weste anzubehalten.

Außerdem ist der Kodex so korruptionslos auch gleich viel einfacher zu verstehen, wie die Sprachgenies der Fifa erkannt haben. Und verbreiteten am Dienstagabend eine Pressemitteilung, in der sie verklugfiedeln, das Wort Korruption sei der Verständlichkeit halber aus den deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Versionen des Kodex gestrichen worden, aus dem französischen unterdessen nicht.

Sprachliche Transferleistung

Und ja, wenn man denn mal genau hinsieht: Aus der deutschen Korruption macht die englische Sprache ein wenig einleuchtendes „corruption“, die spanische ein gar irrlichterndes „corrupción“, die französische hingegen ein wieder gut verständliches „corruption“. Diese sprachliche Transferleistung konnte man ja wohl niemandem mehr zumuten.

In der Version von 2012 stand überdies noch geschrieben, dass die Verfolgung von „Bestechung und Korruption“ keiner Verjährungsfrist unterliege. Aber da das Wort Korruption ja jetzt gestrichen ist, hat man frischweg den ganzen Teil einigermaßen sinngemäß angepasst. Nun können „Bestechung, die Veruntreuung von Geldern und die Manipulation von Spielen oder Meisterschaften“ nur sanktioniert werden, wenn sie nicht mehr als zehn Jahre zurückliegen.

Auf 58 Seiten des „Fifa Ethikkodex 2018“ findet sich kein einziges Mal das Wort „Korruption“

Bestraft wird neuerdings auch, wer sich öffentlich „in ­diffamierender Weise gegenüber der Fifa und/oder jeder anderen Person, die an diesen Kodex gebunden ist, im Kontext von Fifa-Veranstaltungen äußert“. Schließlich sei „die Welt des Fußballs nicht immun ­gegen Verhaltensweisen, die darauf abzielen, den Ruf anderer zu beschädigen“.

„Die Welt des Fußballs“, die selbstlose Fifa schützt sie und nicht sich selbst. Und wenn das mit der gestrichenen Korruption so läuft wie erhofft, wird die Fifa wohl bald auch zu noch drastischeren Streichaktionen übergehen – und eben auch rufschädigendes Verhalten einfach löschen, aus ihrem Dokument und von dieser Welt.

Ein großes Vorbild hat der Verband allemal: In der DDR florierte 40 Jahre verordneter Anti­faschismus, von Nazis keine Spur, von rechtem Gedankengut auch nicht, und das alles qua Gesetz. Das hat, blicken wir nach Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, ja auch ganz wunderbar funktioniert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.