wie machen sie das?
: Die Sozial­arbeiterin

Susanne Brandsch-Böhm, 55, arbeitet seit 1989 als Diplomsozialpädagogin in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe.

taz am wochenende: Frau Brandsch-Böhm, Sie arbeiten im Kindernotdienst Berlin. Dort müssen Sie schnell Vertrauen zu Kindern und Jugendlichen aufbauen. Wie machen Sie das?

Susanne Brandsch-Böhm: Wir lassen uns ansprechen. Wir hören zu. Und wir diskutieren auf Augenhöhe. Es ist eine Frage des Menschenbilds. Was sehe ich in meinem Gegenüber? Einen vollwertigen Menschen oder den Klienten? Die Kinder sind bei so was sehr sensibel.

Was genau ist Ihre Aufgabe? Was machen Sie hier?

Die Hauptaufgabe hier ist Inobhutnahme. Wir sind vom Jugendamt, und „Inobhutnahme“ meint, Elternrechte einzuschränken. Praktisch machen wir Krisenintervention. Wir werden angerufen, um Gespräche zu führen. Oder auch rausgebeten in Familien, um eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen. Um zu entscheiden, ob Kinder aus den Familien herausgenommen werden müssen. Oder ob die Si­tua­tion so verändert werden kann, dass die Kinder bleiben können.

Auch gegen den Willen den Eltern?

Ja, aber wichtig ist immer, zu versuchen, die Eltern mit ins Boot zu bekommen.

Und wie können Sie einschätzen, was das Beste für ein Kind ist, das Sie gerade zum ersten Mal sehen?

Das Beste für ein Kind ist ein schönes Zuhause, mit Eltern, die sich kümmern. Es gibt ganz klare Punkte, wonach wir das entscheiden. Wir machen das immer nach dem Vieraugenprinzip, wir sind nie allein vor Ort.

Wer ruft bei Ihnen an? Sind das Eltern, Kinder, Verwandte …?

Alle! Auch Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser. Und lieber zehnmal eine Falschmeldung, als dass uns einmal eine Kindeswohlgefährdung durch die Lappen geht.

Gibt es denn auch Situationen, die Sie überfordern?

Nein, nie … Aber im Ernst: In der Arbeit hier ist man nie allein. Wir tragen die Verantwortung nicht allein auf den Schultern. Im Notfall kennen wir uns in der Struktur dieser Stadt so weit aus, dass wir Spezialisten dazuholen können.

Haben Sie mehr zu tun, wenn Ferien sind und die Kinder mehr daheim?

Es ist immer unterschiedlich. In diesem Sommer aber war es mehr. Weil es so heiß war, sind häufiger psychische Krankheiten bei den Eltern aufgepoppt.

Wie viele der Schicksale, die Sie hier betreuen, gehen gut aus?

Das klingt vielleicht großmäulig, aber ich denke: alle. Alle gehen gut aus. Wenn wir Kontakt haben, das ist der gute Ausgang. Und das ist der schöne Job. Wenn wir in eine verwahrloste Wohnung reinkommen, ist das ein guter Ausgang.

Haben Sie selbst Kinder?

Ich habe keine Kinder.

Interview: Jonathan Auer