Internationales Filmfest Oldenburg: Unabhängig geblieben

Das Internationale Filmfest Oldenburg feiert sein 25. Jubiläum. Dass es sich so gut etablieren konnte, liegt an der Leidenschaft von Festivalleiter Torsten Neumann.

Torsten Neumann sitzt hinter einem Mikrophon.

Leitet das Filmfest Oldenburg seit seiner Gründung 1994: Torsten Neumann Foto: dpa

BREMEN taz | Auf einem schnieken Boulevard liegt er zwar nicht, sondern auf einem Parkplatz hinterm Gebäude der Oldenburgischen Landesbank. Aber seit 2007 hat auch Oldenburg einen „Walk of Fame“. Dort haben Stars wie Nicolas Cage, Moritz Bleibtreu, Stacy Keach, Peter Lohmeyer, Veronica Ferres und Sean Young ganz im Stil von Hollywood ihre Sterne enthüllt.

Dieses Jahr werden es zwölf sein und die Einweihung ist wie in den vergangenen Jahren wieder eines der großen Ereignisse des Internationalen Filmfests. Etliche Fotografen, Kamerateams und Autogrammjäger werden da sein – und bei der Aufregung stört sich kaum jemand daran, dass die in den Gehweg eingelassenen Steine eben auf dem Innenhof eines der Hauptsponsoren liegen.

Inzwischen soll das Tourismusbüro diese „Sehenswürdigkeit“ in ihre Stadtführungen aufgenommen haben. Der Erfinder dieses Events, Festivalleiter Torsten Neumann, ist zurecht stolz darauf.

Die Schlitzohrigkeit und die Selbstironie, mit der er sein Festival zugleich klein- und großredet, ist eine der Qualitäten, die dafür sorgen, dass er am 12. September bereits sein 25. Festival eröffnen kann.

Dabei hatte Neumann es nie leicht in Oldenburg. Das Festival war nicht auf das Publikum der Stadt zugeschnitten wie die meisten anderen lokalen Filmfeste. Selten kamen die Oldenburger zu den Vorstellungen und auch die Kulturpolitiker waren häufig eher skeptisch bis ablehnend.

Unter US-amerikanischen Filmkünstlern sprach es sich herum, dass es da in Germany ein Festival gab, wo ihre Art Kino zu machen gefeiert wurde

Nachdem ein Zeitungsartikel im Jahr 2000 das Festival mit den Worten lobte, dass es auch Berlin oder München gut stünde, fiel dem damaligen Oberbürgermeister Jürgen Poeschel (CDU) in seiner Eröffnungsrede nur ein: „Herr Neumann, warum gehen Sie dann nicht nach Berlin oder München?“

Aber auch wenn ein Oberbürgermeister Kino und Festival mal liebte, war das ein zweischneidiges Schwert. Der parteilose Gerd Schwandner, der das Amt zwischen 2006 und 2014 innehatte, war zwar begeisterter Cineast. Politisch aber war er so umstritten, dass andere Politiker der Stadt geradezu reflexhaft alles bekämpften, wofür Schwandner sich einsetzte. Die städtische Förderung des Festivals wurde denn auch just während seiner Amtszeit drastisch gekürzt. Erst dieses Jahr hat Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) wieder jenen Betrag in den Haushalt gestellt, der vom Festival beantragt wurde.

1994 gründete Neumann das Festival gemeinsam mit Thorsten Ritter. Beide kamen aus Burgdorf bei Hannover, Ritter studierte in Oldenburg und schrieb Filmkritiken für das Stadtmagazin Diabolo, Neumann studierte in Berlin. Nach gemeinsamen Besuchen bei der Berlinale und beim Filmfest München leckten sie Blut und wollten unbedingt selbst ein Filmfestival organisieren. Die Studentenstadt Oldenburg schien ihnen der richtige Ort dafür zu sein.

Beide hatten eine Vorliebe für das US-amerikanische Independent-Kino und zeigten auch in Oldenburg vor allem unabhängig produzierte Filme. Von denen wurden Mitte der 1990er-Jahre so viele produziert, dass die großen Festivals sie ohnehin gar nicht alle spielen konnten.

Independent-Kino aus den USA

Diesen Programmschwerpunkt hat Neumann all die Jahre lang konsequent beibehalten, dem Filmfest Oldenburg so ein klares Profil verschafft – und ein für die öffentliche Förderung so wichtiges „Alleinstellungsmerkmal“.

Und unter US-amerikanischen Filmkünstlern sprach es sich schnell herum, dass es da in Germany ein kleines Festival gab, wo ihre Art Kino zu machen gefeiert wurde. Das „europäische Sundance Festival“ wurde es bald genannt und viele, die einmal ihre Filme einmal dort vorgestellt hatten, kamen mit ihren nächsten Werken oder denen ihrer Freunde wieder.

So entstand ein über die Jahre immer weiter wachsendes Netzwerk von Freunden des Festivals. Eine Zeitlang war der Schauspieler Seymour Cassel nicht nur Stammgast, sondern so etwas wie der Pate des Festivals und brachte Berühmtheiten wie die Schauspiel-Brüder Luke, Andrew und Owen Wilson in die Stadt.

Gewachsenes Netzwerk

Neumann machte sich auch mit schrägen Ideen einen Namen. So etablierte er einen Wettbewerb um den „German Independance Award“, der für den besten unabhängigen deutschen Film von einer internationalen Jury vergeben wurde – die durchgehend der deutschen Sprache gar nicht mächtig war. Klingt absurd, funktionierte aber zehn Jahre lang erstaunlich gut – bis der Award wegen der Kürzungen der Förderung durch die Stadt eingespart werden musste.

2014 wurde der Preis zum letzten Mal vergeben. Die Schauspielerin Mira Sorvino leitete eine rein weibliche Jury – auch eine Seltenheit – und vergab den Award an „Oh Boy“ von Jan Ole-Gerster. Der gewann in Oldenburg noch zwei weitere Preise und begann daraufhin seinen internationalen Siegeszug.

Für Neumann war es aber nie entscheidend, ob er mit einem Film einen großen Saal füllen konnte oder ob ihn nur zwanzig Leute sahen. Ein Beleg dafür sind die Retrospektiven, die arbeitsaufwendig und teuer sind, aber nur von wenigen Cineasten besucht werden. In ihnen stellt Neumann Filmkünstler vor, die so eigenwillig und radikal sind, dass sie nie große ungebrochenen Karrieren hatten.

Gleich im ersten Jahr war dies Alex Cox, danach Tim Hunter, Jim McBride, Ken Russell und Ted Kotcheff. Aber auch der französische Regisseur von Unterhaltungsfilmen wie „Cartouche der Bandit“, Philippe de Brocca bekam eine Retrospektive. Für Neumann war die eine der bislang schönsten: „In den besten Momenten“, sagt er, „kommen Kunst und Kommerz ja doch irgendwie zusammen“.

Dieses Jahr ist die Retrospektive dem Briten Bruce Robinson gewidmet. Der bekam als Drehbuchautor für den Film „The Killing Fields“ schon mal einen Oscar und inszenierte mit „Withnail & I“ eine der besten britischen Komödien der 1980er-Jahre. Zu sehen ist in Oldenburg aber auch jener Film, nach dem Robinson aufhörte als Schauspieler zu arbeiten – nämlich der italienische Sexfilm „Kleinhoff Hotel“. Und jener, nach dem er nie wieder Regie führen wollte: sein Hollywood-Schiffbruch „Jennifer 8“. Das klingt vielversprechend – und für Oldenburg typisch.

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