Roland Kaiser in der Berliner Waldbühne: Unsere gesellschaftliche Mitte

Ein Abend ganz ohne Weltverbesserungsreligion. Bei seinem Konzert geht es um Leidenschaft, Sehnsucht, Abschiede, Liebe und Frieden.

ein Mann singt in ein Mikrofon

Der gebürtige Weddinger Roland Kaiser in der Waldbühne Foto: dpa

Die S-Bahnen gen Berliner Olympiastadion waren schon am späten Nachmittag gestopft voll. Und zwar, fußballungewöhnlich, mit weiblichen Fans, öfters indes mit Männern im Schlepptau, gut gelaunt, gespannt. Man hört auf dem Bahnsteig ein Murmeln, das auch berlinisch klang, doch gleichfalls wie aus Brandenburg, Sachsen, hier und da hörte man den schluffigen Dialekt, der in der Lausitz gepflegt wird. Und dann sagt eine: „Das werden wir den Dresdnern mal zeigen.“

Gegeben wird das erste Konzert des erfolgreichsten deutschen Schlagersängers: Roland Kaiser. Und Dresden heißt: Dort, an der Elbe, gibt er seit einigen Jahren eine Reihe von Vorstellungen, die wiederum binnen weniger Minuten ausverkauft sind. Berliner Waldbühne will den Dräsdnern offenbar zeigen, wo der Hammer hängt: 22.000 Tickets fürs Open Air, ausverkauft seit vielen Wochen.

Man kann als linker Szeneast, als Bewohner eines Hipsterviertels, Neukölln, gewissensluftig eine Vorstellung dieses Mannes besuchen. Der Arschloch- und Miststückfaktor ist geringst, Roland Kaiser, der gebürtige Weddinger, ist stolz auf seine Mitgliedschaft bei der SPD und hat schon vor drei Jahren der Pegida genannten Pack-Versammlungen klare Worte wider Rassismus gefunden. Er ist, neben der kürzlich sich als politisch wach geouteten Helene Fischer der einzige aus dem ästhetischen Sektor der Mainstreamunterhaltung, der nicht kneift und sagt, was geht und was nicht. Mit der Partei gewordenen Niedertracht namens AfD hat einer wie er nichts zu tun.

Was er dann in zweieinhalb Stunden auf der Bühne ablieferte, war eine überaus professionelle Show, bei der dieser gewisse ­Nichtnarzissmus des Roland Kaiser schön kenntlich wurde: Diese Pose der Selbstglorifizierung unterlief er immer wieder durch leichte Verbeugungen, „danke“ ­sagend – und das Publikum, das man mit wärmstem Blick nur als Feierfreund*innen, als Nichtbildungsbürger*innen, als Nichtdistinktionswahnsinnige nehmen könnte, ist genau die gesellschaftliche Mitte, von der Parteien und Soziologen sehnsuchtsvoll sprechen und sie doch meist nicht kennen. Kaiser jedenfalls zelebriert all seine Hits – das sind sehr viele – der letzten 40 Jahre, „Santa Maria“ und „Schachmatt“ und so weiter.

Ein Abend ohne Weltverbesserungsreligion, es ging strikt um Leidenschaft, Sehnsucht, Abschiede und Liebe und, so sagte er, das Nachkriegskind, wörtlich, „Frieden“. Eine einzige Bemerkung war den Pester*innen gewidmet, beiläufig: Es gebe Gerüchte, denen muss man aber nicht glauben, auch nicht, wenn es um Mord geht. Beifall, mächtig.

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