Heißer Streit um Fernwärme

Umweltgruppen demonstrieren mit Menschenkette für Rückkauf des Fernwärmenetzes von Vattenfall auch zu überhöhtem Preis: Der Senat muss bis Dezember entscheiden

Besser leben ohne Kohle: Die Initiative „Tschüss Kohle“ sammelte 22.000 Unterschriften für das Ende des Klima­killers Foto: Christian Charisius/dpa

Von Sven-Michael Veit

Das Problem ist der Preis: In Kürze muss der rot-grüne Hamburger Senat entscheiden, ob er das Fernwärmenetz des Versorgers Vattenfall kauft, oder nicht. Am 30. November läuft die Frist für den Rückkauf ab. Mindestens 950 Millionen Euro hatte Bürgermeister Olaf Scholz dem Energiekonzern 2014 vertraglich zugesichert. Der besteht auf diesem Preis, obwohl Gutachten inzwischen den weit geringeren Wert von nur 645 Millionen Euro ermittelt haben.

Für den Rückkauf, der 2013 in einem Volksentscheid beschlossen worden war (siehe Kasten), will deshalb der Hamburger Energie-Tisch (HET), ein Bündnis mehrerer Umweltgruppen und Einzelpersonen, amm Freitag mit einer Menschenkette demonstrieren. Ab 16 Uhr soll sie vom Vattenfall-Kundenzentrum am Glockengießerwall bis zum Rathaus führen und dem Senat symbolisch eine Fernwärme-Konzession überbringen. „Der Volksentscheid muss jetzt vollständig umgesetzt werden“, fordert der HET.

Zu dem gehört auch die Volksinitiative „Tschüss Kohle“. Sie hatte Anfang Juni über 22.000 Unterschriften bei der Senatskanzlei eingereicht, die einen Ausstieg aus der Kohleverbrennung für Fernwärme bis 2025 und zur Stromproduktion bis 2030 vorsieht. Diese Forderung richtet sich gegen das betagte Heizkraftwerk Wedel, das spätestens 2021 abgeschaltet werden muss und zugleich gegen die Einbeziehung des Vattenfall-Steinkohlemeilers Moorburg in die Fernwärmeproduktion.

Die Bürgerschaft will Anfang November in einer öffentlichen Anhörung über die Initiative beraten. „Wenn der Senat die Netze wie vorgesehen zurückkauft“, sagt Wiebke Hansen von „Tschüss Kohle“, dann könne „die Bürgerschaft unsere Forderung auch gleich beschließen.“

Beim Volksentscheid am 22. September 2013 votierte die knappe Mehrheit von 50,9 Prozent der Abstimmenden dafür, die drei Energieversorgungsnetze zurück in die öffentliche Hand zu überführen.

Das Stromnetz ist rund 27 Kilometer lang, angeschlossen sind etwa 1,2 Millionen Zähler. Betreiber war bis 2014 Vattenfall, zu 2015 kaufte es die Stadt für rund 500 Millionen Euro zurück.

Das Gasnetz ist rund 7.300 Kilometer lang und versorgt etwa 150.000 Haushalte. 2017 kaufte es die Stadt von Hansewerk für rund eine halbe Milliarde Euro zurück.

Das Fernwärmenetz ist rund 800 Kilometer lang und versorgt etwa 450.000 Wohnungen mit Heizung und Warmwasser. Betreiber ist Vattenfall, Hamburg ist zu einem Viertel beteiligt.

Wenn es nach Jens Kerstan ginge, wäre das ein Selbstläufer. Der grüne Umweltsenator, der die Volksinitiative mitunterzeichnet hat, will das Fernwärmenetz um jeden Preis rekommunalisieren. Schließlich müssten auch „Synergieeffekte“ beim gemeinsamen Betrieb aller drei Energienetze eingerechnet werden, und der Klimaschutz als solcher habe eben auch seinen Preis.

Auf keinen Fall will er Fernwärme mit den Kohlemeilern Wedel und Moorburg erzeugen. Stattdessen sollen die in der Stahl- und Aluminiumindustrie im Hafen anfallende Wärme, Wärmepumpentechnologie und ein unterirdischer Wärmespeicher genutzt werden. Die Mehrkosten von rund zehn Prozent müssten leider die Fernwärmekunden tragen, so Kerstan. Das bereitet allerdings dem Koalitionspartner SPD Bauchschmerzen, der seiner Wählerschaft in Saga-Wohnungen keine höheren Heizkosten zumuten will. „Mieter dürfen nicht übermäßig belastet werden“, stellt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) klar. Die Verhandlungen in der Koalition laufen.

Der BUND verlangt derweil vom Senat ein Festhalten an den Rückkaufsplanungen. Der Volksentscheid habe eine „ganz klare Bindung“, sagt Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Und außerdem sei die Fernwärme „ein gutes Geschäft“ – und das sollte die öffentliche Hand sich nicht entgehen lassen.