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„Aus Solidarität den Magen verdorben“

In Hildesheim befindet sich der älteste Weltladen Norddeutschlands. Zu Besuch bei Pionieren, bei denen sich im Laufe der Jahrzehnte einiges ziemlich verändert hat

Der Geschmack war nicht entscheidend, die Optik des Ladens seinerzeit auch nicht

Von Joachim Göres

El Puente – diesen Namen kennen Kunden von Weltläden zwischen Flensburg und Freiburg, gehört El Puente (zu Deutsch: Die Brücke) doch zu den größten Lieferanten von Weltläden in ganz Deutschland. 1972 wurde der Verein El Puente in Hildesheim gegründet, aus dem sich innerhalb weniger Jahre eine professionelle Import- und Vertriebsorganisation entwickelte, die anfangs vor allem aus Südamerika ihre fair gehandelten Waren bezog. 1974 eröffnete der Verein zudem in Hildesheim den Weltladen El Puente – der erste in Norddeutschland und einer der ältesten überhaupt in Deutschland.

„Damals haben wir Kaffee aus Nicaragua getrunken und uns aus Solidarität dabei den Magen verdorben“, erinnert sich Kurt Warmbein lachend an die Anfänge. Der Geschmack war nicht entscheidend, auch die Ladeneinrichtung spielte keine große Rolle – es ging den ehrenamtlichen Verkäufern und auch den meisten Kunden darum, etwas für den fairen Handel zu tun, und so gegen die Ungerechtigkeit im Welthandel aktiv zu werden. 2012 ist El Puente umgezogen: Aus einem dunklen, etwas verstaubten kleinen Laden in einer Nebenstraße ging es in einen mit 120 Quadratmetern nun doppelt so großen Laden in zentraler Lage in der Fußgängerzone, mit großen Schaufenstern, viel indirektem Licht und ansprechender Inneneinrichtung für die schöne Präsentation der Waren.

20 Personen sorgen derzeit ehrenamtlich dafür, dass der Laden 46 Stunden in der Woche geöffnet ist, zudem gibt es vier Minijobber. Das Ergebnis: deutlich mehr Laufkundschaft und mit über 120.000 Euro ein wesentlich höherer Jahresumsatz. Kaffee, Gewürze, Wein, Textilien und Kunsthandwerk sind die Renner. Die Produzenten aus Afrika, Asien und Lateinamerika erhalten einen höheren Preis als üblich, sodass sie von ihren Erzeugnissen leben, ihre Kinder zur Schule schicken und soziale Projekte wie etwa eine bessere Gesundheitsversorgung fördern können.

„Zwei Drittel unserer Käufer kommen regelmäßig, um die Idee des fairen Handels zu unterstützen. Dabei gibt es viele, die gezielt zum Beispiel einen bestimmten Kaffee verlangen, weil er ihnen am besten schmeckt. Dass wir etwas teurer als Tchibo sind, ist kein Problem“, sagt Rosita Jung-Concha, die fast von Anfang an bei El Puente aktiv ist. Sie ist Vorsitzende des 140 Mitglieder zählenden Vereins El Puente. Der aus Chile stammenden Frau liegt die Bildungsarbeit am Herzen. Sie freut sich über das Interesse von Schulklassen, die häufiger im Weltladen zu Gast sind. Auch viele Studierende zählen zu den Kunden. Zudem informieren Experten bei öffentlichen Veranstaltungen darüber, wie sich der faire Handel für die Produzenten auswirkt. „In den siebziger Jahren sind wir in der Region Hildesheim über die Dörfer gegangen, haben Kleidung gesammelt und verkauft, um das Geld Projekten in Lateinamerika zu spenden. Doch das war naiv. Viel wichtiger sind langfristige Handelsbeziehungen und die Information darüber“, betont Jung-Concha.

In mehr als 40 Jahren hat sich auch sonst viel verändert. Heute gibt es Bananen, Schokolade, Orangensaft oder Kekse mit einem Fair-Trade-Siegel selbst in Discountern. „Es bestehen viele verschiedene Siegel, doch nur die Waren aus den Weltläden sind wirklich zu 100 Prozent fair gehandelt“, sagt Warmbein. Er sieht das Angebot der Lebensmittelketten, die ihren Erzeugern deutlich weniger zahlen als die Weltläden, dennoch nicht nur negativ: „Sie machen die Idee des fairen Handels bekannter, die Leute machen sich so mehr Gedanken über Handelsbeziehungen.“

Früher war der Weltladen oft die einzige Adresse für einst exotische Lebensmittel wie zum Beispiel Quinoa. Heute kann man das Getreide auch in Drogerien oder im Supermarkt kaufen.

Durch die große Nachfrage und die erhöhte Produktion ist der Preis stark gefallen – statt zeitweise 6.000 Dollar je Tonne Quinoa aus Bolivien gibt es heute beim Export nur noch rund 2.500 Dollar.

Durch den Preisverfall und wegen einer Dürrephase als Folge des Klimawandels ist in Bolivien die Produktion deutlich zurückgegangen. Wird der Handel durch die Weltläden also tatsächlich fairer? Der deutsche Weltladen-Dachverband verweist darauf, dass der Verkauf in den Weltläden zu menschenwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen von 2,5 Millionen Produzenten und ihren Familien beiträgt.

„Der Welthandel ist nach wie vor ungerecht, aber das Problembewusstsein hat sich geändert“, sagt Warmbein und fügt hinzu: „KiK, C&A oder Tchibo müssen heute ihre Handelsbeziehungen der Öffentlichkeit erklären. Die Weltläden haben diese Entwicklung ausgelöst.“