Elektroautomillionzwei Jahre später

Neues Gremium, kaum neue E-Autos: Wird die Zukunft der Mobilität derzeit in Berlin oder Hannover besprochen oder weder noch?

Die Fachzeitschrift nennt diesen Truck „Fürst der Landstraße“. Lkw machen nur 5 Prozent der europäischen Fahrzeugflotte aus, trage aber zu einem Drittel zu den Kohlendioxid­emissionen im Verkehr bei Foto: EPA

Von Heike Holdinghausen

So klingt Scheitern, wenn man versucht, es in PR zu packen: Deutschland schließe, heißt es bei der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), „zu den internationalen Leitmärkten der Elektromobilität auf“. Das von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgegebene Ziel, bis 2020 gebe es in Deutschland eine Million E-Autos, könne 2022 erreicht werden, so NPE-Chef Henning Kagermann in dem am Mittwoch vorgestellten NPE-Abschlussbericht. Dazu müsse nur der Bonus für Elek­troautos weiter gezahlt werden.

Experten werten die 8-jährige Arbeit der NPE anders: Weil Kanzleramt, IG Metall und Autoverbände am Verbrennungsmotor festhielten, habe sich Deutschland aus der globalen Entwicklung hin zu E-Antrieben ausgeklinkt, meint Andreas Knie, Verkehrssoziologe am Wissenschaftszentrum Berlin. Auch Benjamin Stephan, Verkehrsexperte von Greenpeace, ist wenig beeindruckt von Kagermanns Empfehlungen: „Wirksam wären steuerliche Maßnahmen, eine Quote für Elektroautos und ein festes Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor“, so Stephan. Das alles fehle im Abschlussbericht der NPE und verheiße nichts Gutes für ihre Nachfolgerin.

Die Gründung der neuen Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“ wurde am Mittwoch im Kabinett beschlossen, am kommenden Mittwoch soll sie sich konstituieren. Sechs Arbeitsgruppen sollten Lösungen für eine „nachhaltige, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität“ entwickeln, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Die wichtigste, AG 1, „Klimaschutz im Verkehr“, soll schon bis Jahresende liefern. „Das ist ein klar formulierter Auftrag“, sagt Dietmar Oeliger, der für den Umweltverband Nabu teilnimmt. „Wir sehen das als Chance, der Bundesregierung ernsthafte Vorschläge zu machen“. Dazu gehören auch rigidere Vorgaben zur CO2-Minderung bei Lkw. Bis Anfang Oktober muss sich die Bundesregierung hier auch zu den Vorschlägen der EU-Kommission positionieren, und das gegen den Lobbydruck vonseiten der Hersteller.

„Wirksam wäreein festes Ausstiegsdatum“

Benjamin Stephan, Greenpeace

Diese CO2-Regulierung sehe er mit großer Besorgnis, sagte Bernhard Mattes, Präsident des Herstellerverbandes VDA, zur Eröffnung der Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover. Die am Mittwoch eröffnete Schau wirbt zwar mit den Themen elektrische Antriebe und Digitalisierung, doch vieles davon ist noch nicht marktreif. Gute Ansätze gebe es schon bei kleineren E-Transportern, etwa für Paketverteiler, sagt Folkert Jürgens, Fachgebietsleiter Gesamtfahrzeug beim TÜV Nord. Hier starte in den kommenden ein, zwei Jahren die Massenfertigung. Bei schweren Lkw, Müllwagen oder Bussen hingegen erwartet Jürgens keinen schnellen Durchbruch. Neben Problemen mit Kosten und Reichweite müsste die Batterie noch weiter optimiert werden: „Lithium-Ionen-Batterien sind eine neue Technologie“, sagt Jürgens, „ob diese Batterien den zugesagten Lebenszyklus erreichen, bleibt abzuwarten“.

Vielleicht werden Lkw künftig wenigstens sicherer. Erste Abbiegeassistenten für Brummis seien marktreif, sagt Jürgens. Sie würden im Zweifel das Fahrzeug abbremsen. Das könne „mehr als 20 Tote und mehrere Hundert Verletzte weniger pro Jahr“ bedeuten, sagt Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC. Es müsse aber noch mehr passieren: „Die Städte drohen unter der Last des zunehmenden Liefer- und Personenverkehrs zu ersticken“, sagt Krone, „wir brauchen kräftige Investitionen in den Radverkehr, damit die Straßen von überflüssigen Auto- und Lkw-Fahrten entlastet werden.“ In welche AG der neuen Plattform diese Themen passen, lässt sich derzeit schwer absehen.