Kommentar Euro als Leitwährung: Der Euro wird kein Dollar

In Brüssel träumt man von einer globalen Währung namens Euro. Aber daraus wird nichts – und die Schuld dafür liegt nicht zuletzt bei der EU.

Banknoten von 50, 20 und 10 Euro

Eine Leitwährung muss groß, stabil, sicher und liquide sein – das ist der Euro nicht Foto: dpa

BERLIN taz | EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will den Dollar als globale Leitwährung entmachten und „die internationale Bedeutung des Euro stärken“, wie er jetzt vor dem EU-Parlament ankündigte.

Beispiele hatte Juncker auch parat, um zu illustrieren, wie absurd es ist, dass der Dollar dominiert: „Es ergibt keinen Sinn, dass wir in Europa unsere Energieimporte – die sich auf 300 Milliarden Euro pro Jahr belaufen – zu 80 Prozent in US-Dollar bezahlen. Schließlich stammen nur rund zwei Prozent unserer Öleinfuhren aus den USA.“ Genauso lächerlich sei es, „dass europäische Unternehmen europäische Flugzeuge nicht in Euro, sondern in Dollar erwerben“.

Juncker liegt nicht völlig falsch. Es ist tatsächlich erstaunlich, dass sich der Dollar so unangefochten als weltweite Leitwährung behauptet. Denn die Eurozone kann mit den USA durchaus mithalten. In den Vereinigten Staaten leben knapp 328 Millionen Menschen – in der Eurozone sind es 337 Millionen. Die USA kamen 2017 auf eine Wirtschaftsleistung von 19,4 Billionen Dollar, die Eurozone erwirtschaftete 11,2 Billionen Euro.

Trotzdem ist das globale Interesse am Euro schwach. Weltweit horten die Zentralbanken lieber Dollar: In den Statistiken des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden aktuell Dollar-Reserven in Höhe von 6,5 Billionen verzeichnet – das sind 62,2 Prozent aller Devisenreserven, die die Zentralbanken weltweit halten. Der Euro kommt hingegen nur auf 20,3 Prozent bei den globalen Devisenreserven.

Groß, stabil, sicher und liquide

Ähnlich unwichtig ist der Euro im weltweiten Handel. Südkorea und Thailand rechnen über 80 Prozent ihrer Ausfuhren in Dollar ab, obwohl nur etwa 20 Prozent in die Vereinigten Staaten gehen. Australische Exporte lauten zu 70 Prozent auf Dollar, obwohl weniger als 6 Prozent für die USA bestimmt sind. Öl wird ebenfalls generell in Dollar verkauft. Die Bank für internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) weist aus, dass bei 88 Prozent aller Devisengeschäfte auf der einen Seite der Dollar steht.

Der Dollar ist so attraktiv, weil er jene vier Merkmale vereint, die eine weltweite Leitwährung bieten sollte: Der US-Finanzmarkt ist groß, stabil, sicher und liquide. Diese Beschreibung mag zunächst wie blanker Hohn wirken, zumal in diesen Tagen, in denen das zehnjährige „Jubiläum“ der Lehman-Pleite begangen wird. Die Investmentbanken der Wall Street agieren bis heute wie gigantische Hedgefonds – und trotzdem sollen die US-Finanzmärkte ein Hort der Sicherheit sein?

So paradox es ist: Die USA sind sogar dann besonders sicher, wenn sie unsicher sind. Dieses Phänomen ließ sich bei der Lehman-Pleite bestens beobachten. Während der Finanzkrise stieg der Dollarkurs, statt zu fallen. Die Investoren flohen nicht etwa aus den USA, sondern drängten dorthin. Denn egal, wie unsicher der Dollar ist – er ist sicherer als alle anderen Währungen.

Es gibt keine einheitlichen Eurobonds

Auch der Euro kann diese Dominanz nicht erschüttern, obwohl er einst als Alternative zum Dollar gedacht war. Denn die Europäer haben keinen Fehler ausgelassen, um den Euro zu ruinieren. Wenn Juncker jetzt lamentiert, dass die Welt vom Dollar abhängig sei, dann ist dies nicht zuletzt seine eigene Schuld.

Anleger und auch Zentralbanken denken schlicht: Wenn sie eine Währung besitzen, soll dieses Geld nicht nutzlos auf dem Girokonto liegen, sondern investiert werden. Als sichere Anlage bieten sich Staatsanleihen an. Beim Dollar ist dies einfach; man kauft ein US-Papier. Aber wo, bitte schön, kann man seine Euros loswerden? Einheitliche Eurobonds gibt es ja nicht. Stattdessen emittiert jeder Eurostaat eigene Anleihen.

Wie immer man die Bonität von Finnland, Lettland oder der Slowakei bewertet: Diese Eurostaaten sind zu klein, um als Reservewährung zu taugen. Eine Weltwährung soll maximale Liquidität garantieren. Sofort, in Nano-Sekunden, soll sich ein Käufer finden, falls man Papiere veräußern will. Auch die Preisbildung funktioniert nur reibungslos, wenn sich viele Interessenten gegenüberstehen. Bei Estland oder Malta wäre das Risiko schlicht zu groß, dass man viel zu lange warten muss, bis man ihre Papiere wieder abstoßen kann.

Neoliberaler Sparkurs verhindert die Erholung

Die Vielstaaterei ist allerdings nicht das Haupthindernis, um den Euro als Weltwährung zu etablieren. Katastrophal waren die Fehlentscheidungen in der Eurokrise. Seit dem Schuldenschnitt für Griechenland weiß jeder Investor: Eurostaaten können pleitegehen und Anleihen ihren Wert verlieren, weil die EZB ihre Mitgliedsländer hängen lässt und nicht rettet. Also werden nur noch die Papiere von „sicheren“ Eurostaaten gekauft – vorneweg von Deutschland.

Deutschland allein ist aber viel zu klein, um den Euro als Weltwährung zu tragen. Längst ist die paradoxe Situation eingetreten, dass es viel zu wenige deutsche Staatsanleihen gibt, um die internationale Nachfrage zu befriedigen. Neue Kredite will Deutschland aber nicht aufnehmen, denn es glaubt starr an die „Schuldenbremse“. Zudem hat es der gesamten Eurozone eine rigide Austerität verordnet.

Dieser neoliberale Sparkurs verhindert jedoch nicht nur, dass sich die Eurozone erholt – er garantiert auch, dass der Euro niemals zur Leitwährung wird. Denn nur ein großes Gebiet, das Schulden macht, kann die Welt mit den nötigen Devisen versorgen. Die USA machen es vor: Wenn andere Länder Dollarreserven aufbauen wollen, müssen sie diese Dollar erst verdienen – indem sie Waren und Dienstleistungen in die Vereinigten Staaten exportieren. Die Amerikaner müssen also bereit sein, sich bei den anderen Ländern zu verschulden. Die US-Bürger profitieren davon: Dank der Weltwährung Dollar können sie über ihre Verhältnisse leben.

Auch die Europäer könnten vom kostenlosen Reichtum einer Leitwährung namens Euro profitieren. Aber dafür bräuchten sie Politiker, die – anders als Juncker – nicht den neoliberalen Irrtümern anhängen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.