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: Merkel, Seehofer und Nahles: über alle Maaßen zerstritten

Am Wochenende sollte es eine Einigung über die weitere Verwendung von Verfassungs-schutzchef Maaßen geben, hatte die Kanzlerin angekündigt. Doch der Zwist zog sich hin

Die Lage

Die Koalition sucht am Sonntagabend noch immer nach einer Lösung im Fall Maaßen. CSU-Chef Horst Seehofer will den Verfassungsschutzchef nicht entlassen oder in den Ruhestand schicken. Seehofer betonte mehrmals, Hans-Georg Maaßen habe sich nichts zuschulden kommen lassen – und machte ihn somit indirekt zum Opfer einer von der SPD initiierten Kampagne. Möglich scheint, dass Maaßen im Innenministerium Beauftragter für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit wird. Das hatte Nahles am Dienstag noch abgelehnt. Ihr war es offenbar lieber, dass Maaßen Staatssekretär wird – und kein Intimus von Seehofer in Sachen Sicherheit. Die SPD will unbedingt die Beförderung Maaßens zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium rückgängig machen. Dass der Verfassungsschutzchef auch noch mit mehr Gehalt belohnt werden sollte, hatte in der SPD für Aufruhr gesorgt. Auch in der CDU finden viele, dass Maaßen mit seiner Kritik an Angela Merkel seine Kompetenzen weit überschritten hat.

Der Kontext

Es gibt zwei miteinander verwobene Konfliktlinien. Die SPD ist widerwillig in diese Koalition eingetreten. Sie hat an Merkels Seite zweimal Wahlen verloren. Die Maaßen-Affäre vitalisiert alle Vorbehalte gegen die ungeliebte Große Koalition. Juso-Chef Kevin Kühnert fordert, das Maaßen entlassen wird – was Seehofer ausgeschlossen hat. Der SPD-Vorstand in Baden-Württemberg verlangt die Entlassung von Seehofer als Innenminister. Das zeigt wie tief die Aversion in der SPD gegen den CSU-Chef ist – und wie groß das Unbehagen, mit der Union zu regieren. Die zweite Front verläuft zwischen Seehofer und Merkel. Der CSU-Chef provoziert Merkel seit dem Herbst 2015 immer wieder. Maaßen teilte damals Seehofers ablehnende Haltung gegen Merkels Flüchtlingspolitik. Zuletzt hatte Seehofer mit dem Versuch, bestimmte Flüchtlinge an der Grenze zurück zuweisen, eine Krise zwischen CDU und CSU herbeigeführt. Diese beiden Probleme – der Kampf Seehofers gegen Merkel und die Angst der SPD, in der Großen Koalition unterzugehen – sind der Grund, warum aus einem Streit um eine zweitrangige Frage eine schwer lösbare Krise wurde.

Die Reaktionen

FDP-Vize Wolfgang Kubicki fordert Neuwahlen. Eine Koalition, die wegen Streit um einen Behördenleiter in Existenznot gerate, sei unfähig. Auch Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linkspartei, will Neuwahlen. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger fordert hingegen ein schnelles Ende der Krise. In Europa verstehe niemand „warum sich die Große Koalition in immer neue Konflikte verstrickt, die eigentlich von geringer Bedeutung sind“.

Die Konsequenz

Unklar. Manche hoffen, dass es nach der Bayern-Wahl am 14. Oktober besser wird. Möglich, dass Seehofer, der auch bei Unionsanhängern eher unpopulär ist, für das erwartbare schlechte CSU-Ergebnis verantwortlich gemacht wird. Doch ob das alles passiert, ob die Koalition zu rationaler Zusammenarbeit zurückfindet: am Sonntagabend alles offen.

Stefan Reinecke