berliner szenen
: Blutauge und die kaputte Tür

Nix geht mehr. Auf der Gitschiner zwischen U-Bahn-Station Prinzenstraße und Hallesches Tor liegt ein Motorrad auf dem Asphalt. Polizisten haben alles mit Plastikband abgesperrt, die Spurensicherung arbeitet schon. Ringsum Verkehrsinfarkt in der Rushhour: hupen, brüllen, gestikulieren. Der Busfahrer, der die U-Bahn-Fahrgäste im Ersatzverkehr transportieren soll, schmeißt alle raus. Wir schultern die Geige und gehen zu Fuß. Stunden später in Wilmersdorf beruhigen uns die Fische im Bassin von Feinkost Rogacki. Eine Verkäuferin händigt uns den Kassenzettel mit den Worten, „hamse die Lottezahlen“ aus.

Um dem Stau zu entkommen, nehmen wir die U7 zurück nach Kreuzberg. Am Mehringdamm steigt ein Kobold mit Crackpfeife ein, fixiert uns und brabbelt magische Formeln. Endlich am Hermannplatz! Endloses Warten auf den M29er Bus. Dann biegen fünf Wannen auf die Sonnenallee. Während sie an uns vorbeifahren, streifen die Polizisten Sturmhauben über. „Aus der Abwärtsspirale aus Verbrechen und Intrigen gibt es längst kein Entkommen mehr“, wirbt die Fernsehserie „4Blocks“, die in der Gegend gedreht wird. Die Polizisten wirken filmreif, ihr Einsatz ist aber echt.

Endlich kommt ein Bus und setzt sich gleich in Bewegung. Eine Haltestelle später ist Finito. Ein Mann mit blutunterlaufenen Augen steht wankend im Bus und streitet mit einer Frau, die draußen an der Haltestelle verharrt. Da er in der Lichtschranke steht, geht die Tür nicht zu. „Geh endlich ficken“, schreit der Mann. „Ich stech dich ab“, schreit die Frau. Der recht massige Busfahrer mit Pferdeschwanz dreht sich zu uns: „Schmeißt den Typen raus!“ Blutauge brüllt den Busfahrer an: „Die Tür ist kaputt!“ Pferdeschwanz: „Ich mach Dich gleich kaputt!“ Als wir aussteigen, ist Blutauge abgetaucht, die Geige bleibt heil. Julian Weber