Rückenwind für kongeniales Duo

Iván Velásquez und Thelma Aldana werden für ihren Kampf gegen Korruption in Guatemala geehrt

Von Knut Henkel

Iván Velásquez ist ein bescheidener Mann. Er steht nicht gern im Scheinwerferlicht. Darüber scherzen seine Mitarbeiter in der Zentrale der UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala – kurz CICIG – schon mal. Doch zugleich verehren sie den 63-jährigen Kolumbianer, der akribisch arbeitet, Beweise zusammenträgt und erst dann an die Öffentlichkeit geht, wenn er sich sicher ist, das er Straftaten bis ins letzte Detail belegen kann.

Dabei lässt sich der Mann aus Medellín nicht beeindrucken, auch von den Verantwortlichen in den höchsten Regierungsämtern nicht. Das hat Otto Pérez Molina, der Guatemala bis Anfang September 2015 regierte, genauso zu spüren bekommen wie Jimmy Morales, der seit Januar 2016 im Präsidentenpalast sitzt.

Gegen beide hat die CICIG in Kooperation mit dem guatemaltekischen Justizministerium ermittelt. Und während der eine wegen des Aufbaus eines weitreichenden Korruptionsnetzes im Gefängnis sitzt, soll sich der andere wegen illegaler Parteienfinanzierung verantworten.

Ohne Velásquez’ kongeniales Pendant in der Generalstaatsanwaltschaft, Thelma Aldana, wäre das kaum möglich gewesen. In Guatemala waren selbst Experten überrascht, dass die ehemalige Richterin derart rigoros die Arbeit der CICIG unterstützte. Schließlich war Aldana unter der Regie von Ex-Präsident Otto Pérez Molina ernannt worden. Doch schnell wurde deutlich, dass die 62-jährige Juristin keine Scheu hat, gegen das politische Establishment zu ermitteln. Das galt in Guatemala lange als Tabu – es ist das Verdient dieses Duos, dass sich daran etwas geändert hat.

Derzeit wird auf Basis der gemeinsamen Recherchen von CICIG und Staatsanwaltschaft gegen 37 Abgeordnete wegen Korruption und gegen den Präsidenten Jimmy Morales wegen illegaler Wahlkampffinanzierung ermittelt. Ein Affront für den von Militärs, korrupten Politikern und zwielichtigen Unternehmern umgebenen Morales, der seit August 2017 gegen die CICIG und dessen umtriebigen obersten Ermittler vorgeht.

Erst erklärte er Iván Velásquez im August 2017 zur „Persona non grata“, weil er und Thelma Aldana es gewagt hatten, einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Präsidenten beim Parlament zu stellen. Damals pfiffen die Verfassungsrichter den Morales zurück. Ende August 2018 dann verlängerte Morales erst das Mandat der CICIG nicht, so dass es im September 2019 ausläuft. Dann wies er die Behörden an, Iván Velásquez die Einreise zu verweigern.

Diese Anweisung hat bis heute Bestand, obwohl die Verfassungsrichter am 17. September die Weisung als nicht verfassungskonform beurteilten. „Der Putsch gegen die Justiz ist eine Realität in Guatemala“, urteilt der Menschenrechtsanwalt Edgar Pérez Archila.

Ganz so deutlich wurde Iván Velásquez nicht, als er erfuhr, dass Thelma Aldana und er in diesem Jahr den Alternativen Nobelpreis erhalten würden: „Dieser Preis kommt zu einem besonders dramatischen Zeitpunkt im Kampf gegen Straflosigkeit und Korruption“, erklärte Velásquez aus seinem derzeitigen Exil in den USA. Von dort leitet er nun die Arbeit der CICIG auf Weisung von UN-Generalsekretär António Guterres.

Dabei fehlt ihm die Unterstützung der Frau, die ihm lange zur Seite stand. Anfang Mai wurde Thelma Aldana als Generalstaatsanwältin von María Consuelo Porras turnusgemäß abgelöst. Sie gilt als Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Doch das ist für die UN-Ermittler um Iván Velásquez nur ein schwacher Trost – denn die Regierung nutzt derzeit alle Register, um die CICIG zu schwächen. So warten derzeit 59 der rund 170 Mitglieder der CICIG auf ein neues Visum.

Im Umfeld der am 25. September beginnenden UN-Vollversammlung wird sich Guatemalas Präsident Jimmy Morales einige Fragen zu seinem Verständnis vom Rechtstaat und dem auslaufenden Mandat der CICIG stellen lassen müssen.

Die Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Thelma Aldana und Iván Velásquez unterstreicht das noch. Ole von Uexküll, Direktor der verleihenden Stiftung, forderte Morales auf, „diese guatemaltekische Erfolgsgeschichte nicht zu beenden“. In Guatemala gingen in den letzten Tagen Zehntausende gegen Morales auf die Straße, 71 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für den Verbleib der CICIG aus.