Wen die Nazis auf der Liste haben

Obwohl mehrere Personen und Institutionen auf sogenannten rechten „Feindeslisten“ stehen, sehen weder die niedersächsische Landesregierung noch die Sicherheitsbehörden Handlungsbedarf

„Aus der abstrakten Bedrohung kann ein konkreter Angriff werden“

Julia Hamburg, Grüne

Von Andreas Speit

Die langen Auflistungen erhalten konkrete Angaben. Auf einer „Feindesliste“ der rechtsextremen Szene sind allein 255 Personen aus Niedersachen mit Namen und Anschrift aufgelistet. Die Sicherheitsbehörden sprechen von einer abstrakten Gefährdung. „Etwas irritierend“, findet Julia Hamburg diese Einschätzung: „Aus der abstrakten Bedrohung kann ein konkreter Angriff werden“, sagt die Landtagsabgeordnete der Grünen.

Im niedersächsischen Landtag hatten die Grünen eine Anfrage zu den auch im Internet kursierenden Listen der Rechtsextremen gestellt. Mit Bezug auf Dateien des NSU führt die Landesregierung aus, dass bei den rund 10.000 Einträgen neben Einzelpersonen aus dem privaten und öffentlichen Leben 61 Waffengeschäfte, neun Antifa-Initiativen sowie 48 Flüchtlingsunterkünfte und -hilfseinrichtungen und 132 Glaubens- und Kulturgemeinschaften aufgeführt werden.

Bereits nach dem zufälligen Auffliegens des NSU-Kerntrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe am 4. November 2011 hatten die Ermittler markierte Stadtpläne und lange Listen mit Adressen gefunden. Betroffene in Göttingen wurden von der Polizei allerdings erst mehr als ein Jahr später informiert. Am 20. Dezember 2012 erreichte den Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur eine E-Mail der Polizei.

Mit der Antwort der Landesregierung wird nun die Dimension der Liste des NSU für Niedersachsen sichtbar. Die Sicherheitsbehörden haben zudem eine Liste eines rechten Versandhandels mit 25.000 Einträgen berücksichtigt. Im „niedrigen vierstelligen Bereich“ lägen Bezüge zu Niedersachsen vor, heißt es.

Listen wie diese haben eine lange Tradition. 1992 veröffentlichte die „Nationale Liste“ ihren Index als eine Schwerpunkt-Ausgabe zur „Anti-Antifa“. Mit den elf Seiten gaben sie den Startschuss für die Anti-Antifa-Arbeit. In der Ausgabe stellten sie alternative Wohn- und Kulturprojekte vor. Aber auch Namen und Kontaktdaten von Menschen, die sich gegen rechts engagieren, wurden angeführt.

In der Antwort betont die niedersächsische Landesregierung, dass es in keinem Fall Anhaltspunkte dafür gebe, dass es sich um „Feindes“- oder „Todeslisten“ handeln würde. Julia Hamburg widerspricht: „Es ist doch davon auszugehen, dass sich Rechtsextreme nicht diese Mühe machen, Listen zu erstellen, ohne dass diese einen Mehrwert haben sollen.“ Wer könne denn garantieren, dass Rechte aufgelistete Personen nicht angehen würden, so Hamburg.

Bundesweit ist dies in Einzelfällen schon geschehen. Menschen, deren Namen auf den Listen standen, wurden bereits von Rechtsextremen angegriffen.