Wie wollen wir lesen?

Eine Wette darüber einzugehen, was Donald Trump als Nächstes twittert, ist derzeit aussichtsreicher, als die Zukunft der Medienbranche vorherzusehen. Die Ausgangslage ist für alle gleich: Die Auflagen der täglich gedruckten Zeitungen sinken, digital sind die Möglichkeiten groß.

Das Handelsblatt verlangt online rigoros Eintrittsgeld, die Süddeutsche macht Plus zum Bezahl­modell – ausgewählte Artikel kosten dort also Geld. Alle Verlage experimentieren. Das Ergebnis ist offen.

Anfang des Jahres haben wir den taz-Report 2021 vorgelegt. Darin haben wir nicht nur die Lage der taz analysiert, sondern auch Ideen für die Zukunft entwickelt. Manche haben den Innovationsbericht als „schonungslos“ bezeichnet. Anderen ging er nicht weit genug. Die Interpretation überlassen wir entspannt anderen. Denn eines haben wir erreicht: Das ganze Haus ist in Bewegung. Wie auch andere Medien fragen wir uns: Wie geht’s weiter?

Gleich zu Beginn dieser Sonderseiten über die Zeitung auf Papier und im Digitalen halten wir fest: Wie’s bisher weiterging, wusste man immer erst hinterher. Doch das Lesen in der Glaskugel ist zu einem eigenen Genre geworden. Wie es ein Kollege einmal auf Twitter schrieb: Ständiges Reden über die Zukunft des Journalismus ist hoffentlich nicht die Zukunft des Journalismus. Carpe Diem also? Eine komplizierte Haltung, wenn es darum geht, eine Strategie zu entwickeln.

Wir glauben: Gutes leitet sich aus einem genauen Blick auf das Jetzt ab. Also besuchen wir auf diesen nächsten Seiten Leser*innen in Nord und Süd und sprechen mit ihnen über Gewohnheiten und Überraschungen am Küchentisch und auf dem Sofa. Wir begleiten eine Zeitung von der Druckerei in den Briefkasten. Wie sieht das Vertriebsproblem aus, vor dem Zeitungen wie die taz heute stehen? Was ist eigentlich eine Zeitung im Digitalen? Und wir blicken darauf, wie es andere Medien machen.

Neulich auf der Genossenschaftsversammlung der taz sagte Monika Bäuer­lein: „Es gibt bald nur noch leserfinanzierten Journalismus. Die Frage ist: Für wie viel Journalismus wird die Öffentlichkeit zahlen?“ Bäuerlein ist die Geschäftsführerin des US-amerikanischen Onlinemagazins Mother Jones, das sich hauptsächlich über Spenden finanziert und damit sehr erfolgreich ist. Unsere Basis ist sie seit 40 Jahren, auch immer mehr etablierte Verlage entdecken sie: die Community.

Das ist das Schöne, das all diese Zukunftsfragen mit sich bringen: Egal welche innovativen Modelle sich Me­dien­macher*innen überlegen – am Ende werden die Leser*innen entscheiden: Welche Ideen setzen sich durch? Für welche Modelle wollen sie bezahlen? Am Ende landen wir bei den Le­se­r*innen und deren Bedürfnissen. Das ist doch ein Anfang.

Katrin Gottschalk und Barbara Junge, taz-Chefredakteurinnen