Inspirierend, leidenschaftlich und engagiert

Nachruf: Petra Groll war tazlerin der ersten Stunde, prägte die taz in entscheidenden Phasen mit und gab einer noch jungen Gewerkschaft eine Stimme

 Petra Groll ⇥ Foto: Christian Jungeblodt

Wir hatten uns aus den Augen verloren. Sie war vor 40 Jahren dabei, als die taz gegründet wurde, engagierte sich in der taz-Ini Hannover, gestaltete zeitweilig in der Aktuellen Redaktion die Titelseite. 1982 ging sie als taz-Korrespondentin nach Beirut, in den vom Bürgerkrieg zerrütteten Libanon.Petra Groll, Jahrgang 1957, war radikal in ihrer journalistischen Arbeit, ging nah ran an die Kriegsschauplätze. Sie hat dabei viel gesehen, was schwer zu ertragen ist. Nur selten hat sie davon gesprochen.

Wir hatten nicht viel miteinander zu tun – in der taz wenig und danach noch weniger. Gelegentlich wurde mir in den 90er Jahren berichtet, sie arbeite als Textchefin für große Publikumszeitschriften in München und Ende der 90er Jahre als Redakteurin für die „Goldene Kamera“. Danach holte die taz sie zurück.

Niemand hätte besser geeignet sein können als Redakteurin für besondere Aufgaben. Sie war an der Entwicklung des tazmag beteiligt, einer Wochenendbeilage für die taz. Das taz-Journal zur RAF wurde zum Bestseller. Zusammen mit ihrem Kollegen Bernd Pickert organisierte sie 2001 den ersten großen taz-Kongress zum Thema „Wie wollen wir leben?“. Anfang des Jahres 2001 trafen wir uns zufällig beim Jahresempfang der Evangelischen Journalistenschule in Berlin. Es wurde – vielleicht zum ersten Mal – ein längeres persönlich-professionelles Gespräch. Ich erzählte vom Projekt einer neuen gewerkschaftlichen Mitgliederzeitung für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Dieses Gespräch wurde der Anfang unseres gemeinsamen Weges. Ich spürte Petras Begeisterung. Sie sprühte vor Ideen, sie skizzierte mit Leidenschaft und leichter Hand einige konzeptionelle Voraussetzungen für das Projekt.

Ja, sie könne sich vorstellen, im politischen Zusammenhang der Gewerkschaftsbewegung zu arbeiten, sich an Planung und Gestaltung einer Massenzeitung mit Millionenauflage zu beteiligen. Es sollte ein offenes Medium sein, über den Tellerrand des gewerkschaftlichen Funktionärskörpers hinauswirken – diskursiv, kritisch und sozial engagiert für die Vielfalt der Menschen und Gruppen in ver.di. Sie schlug vor, den im letzten Jahr gestorbenen Ralf Buckendahl, einen früheren taz-Layouter, zu gewinnen. Er hatte sich in den 90er Jahren bei den Hamburger Großverlagen einen Namen gemacht. Mit ihm haben wir Konzeption und Erscheinungsbild der ver.di Publik entworfen und zusammen mit der Redaktion über Jahre praktisch umgesetzt.

Sie sprühte vor Ideen, sie skizzierte mit Leidenschaft und leichter Hand konzeptionelle Voraussetzungen

Abends nach der Arbeit haben Petra und ich uns manchmal zusammengesetzt, um zu klären, was zu klären war. Petras journalistische Kompetenz mit ihrem nüchternen Blick auf das Wesentliche, ihre Kritik, die zuweilen schroff wirken konnte und einer empfindsamen Verletzlichkeit entsprang, ihr leidenschaftliches und gleichzeitig illusionsloses Engagement haben die Jahre unserer Zusammenarbeit geprägt und inspiriert. Viele KollegInnen bei der taz, bei der ver.di Publik werden das auch so erlebt haben. Dafür müssen wir ihr danken. Petra Groll hinterlässt ihren Sohn und ihren Lebensgefährten, der sie in all den Jahren ihrer langen, schweren Erkrankung begleitet hat. Sie ist am 8. September 2018 gestorben.

Martin Kempe,taz-Gründer und ehemaliger Chefredakteur „ver.di Publik“