Editorial
: 40 Jahre – und immer noch da

Hoppla …“ ist das Editorial der ersten und einzigen Nullnummer der taz Berlin überschrieben – mehr Understatement ging fast nicht. Am Freitag, 24. Oktober 1980, stellen die AutorInnen auf der bilderlosen Seite 20 der aktuellen taz die Frage: „Was haben die letzten 4 Seiten zu bedeuten?“ Und weiter: „taz-Leser [gegendert wurde noch nicht, der Säzzer im Jahr 2018] sind ja Überraschungen gewöhnt, heute soll es zur Abwechslung eine erfreuliche sein.“

Es ist die Versuchsausgabe des Berliner Lokalteils, der ab 3. November dann täglich erscheinen sollte. Denn: „Eine Tageszeitung ohne Bericht über das, was in der Stadt passiert, ist im Grunde keine vollständige Tageszeitung. Dieser Ansicht waren wir schon immer, jetzt haben wir die Konsequenzen gezogen.“ Es sollte zugleich der erste Schritt sein, den alten Plan der Regionalisierung der taz zu verwirklichen. Schlappe drei Wochen Vorbereitungszeit hatten die „10 Leute, die in Redaktion und Technik für den Lokalteil arbeiten“, für diesen „Sprung ins Wasser“.

Sie berichteten in der Nullnummer über Themen, die heute noch auffallend aktuell wirken: von Streiks in Kitas, die systematisch überbelegt wurden; von der Hoffnung einer Familie im Wedding, ihren Mietkampf gegen die landeseigene Gesobau zu gewinnen; von einer ohne Genehmigung aufgebauten Wärmekraftkopplungsanlage, vom Überfall auf eine Punk-Kneipe (durch Popper). Und über die drohende Pleite des damals erst seit Kurzem bestehenden Kulturzelts Tempodrom.

Natürlich fehlte im Editorial auch nicht die – uns heute sehr geläufige – Drohung, dass der Lokalteil erst mal ein auf drei Monate befristeter Versuch sei, sprich akut in seiner Existenz bedroht ist, weil die in der Weddinger Wattstraße residierende Zeitung zu wenig Geld hat. Mit täglich einer halben Seite (Klein-)Anzeigen und zusätzlichen AbonnentInnen sollte das nötige Geld reinkommen.

Doch wie noch häufiger in der Geschichte dieser Zeitung war der Zeitpunkt für die Gründung der taz Berlin – gänzlich unbewusst – perfekt gewählt: Wenige Wochen später begann die erste heiße Phase der Hausbesetzungen, die taz-RedakteurInnen waren oft mittendrin und berichteten, was andere gerne ignorierten. Schon am 7. Januar 1981 konnte deshalb offiziell der Fortbestand des Berlin-Teils vermeldet werden – dank 322 neuer AbonnentInnen. Nach Großereignissen wurden teilweise bis zu 10.000 Exemplare von fliegenden Händlern verkauft.

Und die Zeiten blieben unruhig. Dietrich Stobbe, der SPD-Regierende Bürgermeister, muss im Januar 81 zurücktreten, Anfang März wird das 100. besetzte Haus vermeldet, ab Mai regiert in Berlin die CDU. Die Konflikte sind vorprogrammiert, das schärft das Profil der taz Berlin.

Hoppla … knapp 40 Jahre später sind viele Themen (leider) aktuell geblieben, auch wenn Berlin eine ganz andere Stadt geworden ist. Auf die nächsten 40 … Bert Schulz, Sabine Porn