Kommentar EU-Verfahren gegen Ungarn: Doppeltes Spiel

Eine klare Mehrheit hat für das EU-Strafverfahren gegen Ungarn gestimmt. Doch noch fehlt der politische Wille, die Aufgabe auch anzugehen.

Victor Orban schaut nach links

Offenbar meinen es die Konservativen nicht ernst beim Umgang mit Ungarn Foto: reuters

Man musste sie zum Jagen tragen. Erst in letzter Minute haben sich Christdemokraten und Konservative im Europaparlament zum EU-Strafverfahren gegen Ungarn und seinen rechten Regierungschef Viktor Orbán bekannt. Auch Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei EVP, und Parlamentspräsident Antonio Tajani haben bis zuletzt gezögert.

Doch nun, da sich eine klare Mehrheit für das EU-Verfahren ausgesprochen hat, müssen auch Taten folgen. Es kann nicht sein, dass Tajani den historischen Parlamentsbeschluss beiläufig an den Ministerrat weiterreicht, als hätte er mit der ganzen Angelegenheit nicht zu tun. Seine Aufgabe ist es jetzt, Druck zu machen und die Abgeordneten gegen Angriffe aus Ungarn zu verteidigen.

Aber dazu hat der Vertraute des früheren italienischen Skandal-Premiers Silvio Berlusconi offensichtlich keine Lust. Der Brief, mit dem er den Rat auffordert, das Artikel-7-Verfahren voranzutreiben, lässt keinen politischen Willen erkennen, schnell zu Entscheidungen zu kommen. Im Gegenteil, er liest sich wie eine lästige Pflichtübung. Das überrascht nicht: Schließlich haben Tajanis Parteifreunde von Forza Italia genau wie die meisten CSU-Abgeordneten gegen das Rechtsstaatsverfahren gestimmt. Und bis heute hält die Europäische Volkspartei an der Zusammenarbeit mit Orbáns Fidesz-Partei fest.

Offenbar meinen es die Konservativen nicht ernst mit Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn. Sie wollen das EU-Verfahren hinauszögern – und Orbán weiter die Stange halten. Es ist ein doppeltes Spiel, das dem Vorreiter der „illiberalen Demokratie“ hilft und die Entscheidung des Europaparlaments ins Leere laufen lässt. Das dürfen die anderen Parteien nicht durchgehen lassen. Sie müssen den beginnenden Europawahlkampf nutzen, Tajani und Weber an ihre Pflichten zu erinnern.

Bei Rechtsstaat und Demokratie darf es keinen Rabatt geben, hat Weber bei seiner Entscheidung für ein Rechtsstaatsverfahren gesagt. Höchste Zeit, den CSU-Politiker an seine Worte zu erinnern. Wenn er tatsächlich als Spitzenkandidat der EVP in die Europawahl ziehen will, darf er nicht länger lavieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.