wie machen sie das?
: Die JVA-Beamte

Anke Stein, 46, ist Anstaltsleiterin der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit.

taz am wochenende: Frau Stein, Sie arbeiten mit Straftätern zusammen und sollten ihnen vorurteilsfrei begegnen. Wie machen Sie das?

Anke Stein: Für mich sind die Gefangenen in erster Linie Menschen. Menschen, die eben im Gefängnis sind. Und ich gehe davon aus, dass sie zurecht dort sind. Alles weitere bewerte ich nicht. Wer was, wie getan hat, interessiert mich nur, wenn es mein Beruf fordert. Wenn es beispielsweise um einen Antrag auf frühere Entlassung geht. Für meine alltäglichen Begegnung mit den Gefangenen spielt es keine Rolle, was in ihrer Akte steht. Im professionellen Umgang haben Vorurteile keinen Platz.

Gelingt Ihnen das wirklich immer?

Es wäre unmenschlich zu sagen, es gibt keine Momente in denen Vorurteile aufkommen. Das kann manchmal nur ein Blick sein oder eine Geste. Dann ist es wichtig, das zu reflektieren und offen zu kommunizieren. Wir besprechen das im Kollegium, aber auch mit den Gefangenen selbst. Wenn man sich im Gespräch begegnet, verpuffen Vorurteile meist ganz schnell.

Ist das Gespräch also die beste Möglichkeit, Vorurteile zu beseitigen?

Für mich ist es das, ja. Oft begegnen mir auch ganz allgemeine Vorurteile, wenn ich mit Bekannten über meinen Beruf spreche. Mit Gefangenen wollen die meisten nichts zu tun haben. Das ist ein grundlegendes Problem unserer Gesellschaft. Dann kommen oft Sätze wie: Warum machst du ausgerechnet diesen Job? Oder: Hast du nicht Angst dabei, gerade als Frau?

Was antworten Sie darauf?

Ich erkläre dann, was meinen Beruf überhaupt ausmacht. Viele haben nämlich eine völlig falsche Vorstellung. Es geht im Strafvollzug nämlich vor allem darum, das Zurückkommen von Gefangenen in die Gesellschaft so gut wie möglich zu gestalten. Sowohl für die Gefangenen, als auch für die Welt draußen. Und Angst spielt in meinem Berufsalltag überhaupt keine Rolle. Wieso sollte mir ein Gefangener etwas tun? Das wäre sinnlos. Die Gefangenen wissen, dass ein früherer Weg nach draußen nur durch Zusammenarbeit funktioniert.

Reicht das, um die Vorurteile auszuräumen?

Ja, meistens. Was die Menschen oft nicht verstehen: Das Gefängnis ist kein Kosmos, den man abgekoppelt betrachten kann. Denn das Gefängnis ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Dort zeigen sich gesellschaftliche Probleme wie in einem Brennglas. Wenn man die Schwierigkeiten von Menschen in Freiheit besser wahrnehmen würde, dann würden viele gar nicht erst ins Gefängnis kommen. Darum finde ich gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Gefangenen auch irgendwie absurd.

Interview: Sara Tomšić