Low bleiben slow

Neues Album, Konzert im Festsaal Kreuzberg am 9. Oktober

Es beginnt mit einem Prasseln, einem Wummern, mit Störgeräuschen. Dann erklingt Alan Sparhawks Stimme, kommt näher und entfernt sich, verschwimmt und verschwindet. Der Leadsänger der US-Band Low besingt in „Quorum“, dem Auftaktstück ihres Albums „Double Negative“, ein katastrophales Ereignis, von dem man sich noch nicht erholt hat: „You tried to blame it on the quorum.“ Dann rauscht es wieder.

Mit dem Ereignis ist die Präsidentschaftswahl 2016 gemeint; „Quorum“ läutet ein Album ein, das sich mit dem Zustand der Vereinigten Staaten zwei Jahre nach der Wahl Trumps befasst. „It’s not the end, it’s just the end of hope“, wird Sparhawk später singen. „You don’t know what you’re even fighting for.“

Viele Popkünstler in den Staaten haben ein Post-Trump-Werk veröffentlicht – was die Band um Ehepaar Alan Sparhawk und Mimi Parker abliefert, ist ein ganz großer Wurf. Dabei gibt es die Gruppe aus Minnesota bereits seit 25 Jahren, zwölf Alben haben sie veröffentlicht. Eine treue Fangemeinde hatte ihr „Slowcore“ genannter, verlangsamter Rockentwurf auch. Jetzt erfinden sie sich neu: Mehr als je zuvor arbeiten sie mit Elektronik und Sampling, das Trio ist im Cut-and-paste-Zeitalter angekommen. Low bleiben dabei Low und auch immer noch slow – nur klingt es wie die digital dekonstruierte Version des alten Slowcore.

Was geblieben ist: die Hittauglichkeit. Hits im eigentlichen Sinne haben Low zwar nie geschrieben, aber Songs wie „Hatchet“ und „Breaker“ (beide 2007) waren leuchtende, zeitlose Indie-Perlen. Nun tauchen die altbekannten Folk-Hooklines in Stücken wie „Dancing and Fire“ und „Always Tryin’ to Work It Out“ wieder auf, aber insgesamt ist viel mehr los auf diesem Album: Stimmen werden geschichtet und verfremdet, ein Ambient-Flirren liegt über so manchem Song; es pocht, es rattert, es lärmt. Das Noise-Stück „Tempest“ wirkt wie die klangliche Entsprechung des Trümmerfeldes der amerikanischen Demokratie.

Auch das finale „Disarray“ ist ein Beispiel für die Unruhe, die sich im Sound von Low breitgemacht hat: Mit einem technoiden Pumpen setzt es ein, es kommen Chöre dazu, der Rhythmus verharrt im Stakkato. Disarray, also Unordnung, trifft auch gut den Geist dieses Albums, das zwischen Resignation und Neuanfang schwankt. Konfusion regiert in Post-Truth-Zeiten: „Dissolve into a state of awful inverse/ the truth is not something that you have not heard“, konstatieren Low.

„Double Negative“ ist eine Befragung der Gegenwart. Antworten haben Gitarrist Sparhawk, Drummerin Parker und Bassist Steve Garrington, der Dritte im Bunde, keine. Sie haben 48 Minuten gegenwärtige Musik geschaffen. JUT

Low: „Double Negative“ (SubPop/Cargo). Festsaal Kreuzberg, 9. Oktober