Nazis im Nahbereich: Mit Rechten leben

Hamburg, Bremen oder Hannover sind nicht Chemnitz. Aber auch hier gibt es Rechte in einflussreichen Positionen – und in allernächster Nähe: als Lehrer, Chorleiter, Onkel.

Rechte unterwegs: Zwei Teilnehmer der Hamburger „Merkel muss weg“-Demo vom März dieses Jahres gehen mit einer Fahne zum Treffpunkt vor dem Bahnhof Dammtor. Foto: dpa

HAMBURG taz | Sie kommen nicht aus dem Nichts. Sie sind kein Niemand. Sie verteilen Geld und schaffen Räume. Sie unterrichten, ordnen an, befehlen oder leiten. Die neuen Rechten kommen aus der Mitte der Gesellschaft, nicht vom Rand. Und an den Rändern entscheidet sich auch nicht allein die politische Entwicklung der Republik. Die gesellschaftliche Mitte trägt die Verantwortung mit – und sie driftet nach rechts.

In den vergangenen Jahren dürfte die Begegnung mit „Ich bin ja kein Rassist, aber …“-Personen oder „Ich bin kein Nazi, aber man muss doch mal sagen dürfen“-Typen bei den meisten Menschen keine Seltenheit gewesen sein. Sie sind unsere Eltern, Verwandte, Freunde, Kollegen, Kumpels und Vereinsfreunde. Mal im gediegenen Ton, mal mit lautstarkem Gebrüll wird da erklärt, dass die Politik die eigenen Leute vergessen hat, Randgruppen bevorzugt, die „Asylanten“ die innere Sicherheit gefährden, die Feministen es zu weit treiben, dass die falschen Menschen zu viel staatliche Hilfe bekommen, und und und …

Die vermeintlichen Wutbürger sind nicht irgendwo anders, sie sind unter uns – und wir sind es auch manchmal selbst. Die in dieser Wochen vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung über populistische Einstellungen belegt, dass etwa jeder dritte Bundesbürger „populistisch eingestellt“ ist – 30,4 Prozent. Das seien knapp vier Prozent mehr als im „Populismusbarometer“ des Vorjahres, heben die Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin hervor, die für die Stiftung in Mai und August jeweils 3.400 Wahlberechtigte befragten. Im privaten Umfeld könnte man jetzt abzählen.

Die Wutbürger sind unter uns

Und auch alternative Lebenskonzepte schützen bekanntlich nicht vor rechten Ressentiments. Beim Kinderarzt im Szeneviertel wird da nach der Mutter gefragt, wenn der Vater das kranke Kind bringt. In der links-grünen Männerrunde wird gewitzelt, dass die Veganerin ja schon gerne mal ein Fleisch in sich haben würde. In trauter Runde im Park wird sich über die osteuropäischen Obdachlosen beschwert. Auch die Bio-Boheme ist schon lange nicht mehr frei von der „rohen Bürgerlichkeit“.

In der letzte Studie der seit zehn Jahren laufenden Langzeituntersuchung zur „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ warnte der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer vor dieser „Entkultivierung des Bürgertums“. Dieser Prozess offenbare sich im Auftreten und der Art, wie Personen versuchen, ihre eigenen Ziele mit „rabiaten Mitteln“ durchzusetzen, schrieb Heitmeyer bereits 2012. Die „sozialen Privilegien“ würden auch mit der Abwertung und Ausgrenzung „nutzloser“ und „kulturfremder“ Gruppen hart verteidigt. „Die angebliche Liberalität der höheren Einkommensgruppen erodiert“, prognostizierte er.

Acht Jahren später treiben in Norddeutschland Akteure der neuen Rechten diese rohe Bürgerlichkeit weiter voran. Der Ausgang dieses Prozesses: unklar.

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