Merkel nach Kauders Niederlage: Ihre Macht zerfließt

Merkel hat immer gehofft, ihren Abschied selbst bestimmen zu können. Doch die Niederlage ihres Vertrauten Kauder ist auch ihre. Was heißt das für sie?

Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU

Nach dem Aufstand tritt Angela Merkel vor die Presse Foto: dpa

Der Überraschungssieg von Ralph Brinkhaus ist ein Misstrauensvotum für Kanzlerin Angela Merkel. Sie hatte ebenso wie CSU-Chef Horst Seehofer für ihren Vertrauten Volker Kauder geworben. Dass sich die Abgeordneten dieser Empfehlung widersetzten und anders wählten, ist ein beispielloser Vorgang in der autoritätsverliebten Union. Was heißt das für Merkel?

Die Kanzlerin machte am Dienstagabend gute Miene zum bösen Spiel. „Das ist eine Stunde der Demokratie, in der gibt es auch Niederlagen, und da gibt es nichts zu beschönigen“, sagte sie in einer ersten Reaktion. Merkel räumte also ein, verloren zu haben. Sie betonte gleichzeitig, Brinkhaus eine gute Zusammenarbeit angeboten zu haben. Sie wolle, dass die Unionsfraktion erfolgreich weiterarbeite, sagte sie.

Die nüchterne Reaktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, welch ein Erdbeben stattgefunden hat. Merkels Macht ist in den vergangenen Monaten zusehends erodiert. Sie musste im Sommer hilflos dabei zusehen, wie Seehofer die Frage der Grenzabweisungen eskalierte. Auch der Fall Maaßen dokumentierte ihre Hilflosigkeit. Früher hätte sie den widerspenstigen Innenminister einfach entlassen – und Maaßen gleich mit.

Brinkhaus’ Sieg gegen Kauder ist wohl die größte Niederlage ihrer Kanzlerschaft. Der bisherige Finanzexperte der Fraktion gilt als kompetent, aber nicht besonders charismatisch. Durch ambitionierte Pläne ist er vor der Wahl nicht aufgefallen. Das heißt: Die Mehrheit der Abgeordneten hat nicht für Brinkhaus gestimmt, sondern gegen Kauder. Gegen Merkels Vertrauten, der ihr 13 Jahre lang den Rücken frei hielt. Der Konservative organisierte treu die Mehrheiten, beim Atomausstieg, beim Mindestlohn, in der Europapolitik. Die Profilierung der Fraktion blieb auf der Strecke.

Die CSU-Granden werden keine Ruhe geben

Merkel hat lange gehofft, den Zeitpunkt ihres Abschieds frei zu bestimmen. Diese Chance entgleitet ihr zusehends. Das Ereignis zeigt, wie schnell sich Machtverlust verselbstständigt. Was kommt als Nächstes? Die CSU wird bei der Bayern-Wahl ihre absolute Mehrheit verlieren. Danach dürfte Chaos ausbrechen, zumal die Partei in beide Richtungen verliert. Die liberalen Bürgerlichen flüchten zu den Grünen, die Flüchtlingsgegner zur AfD. Die nervösen CSU-Granden werden auch nach der Wahl keine Ruhe geben – auch wenn Seehofer sich in den Ruhestand verabschieden muss.

Auch die Fraktion ist jetzt instabil. Bekommt Merkel noch eigene Mehrheiten für schwierige Entscheidungen hin? Das ist nicht mehr sicher. Merkel muss sich auf dem CDU-Parteitag im Dezember erneut zur Wahl als Parteichefin stellen. Eigentlich hatte sie fest vor, das zu tun. Nach Dienstagabend ist plötzlich vieles denkbar.

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