Der „Europäer“ in der türkischen Regierung

Gilt als politisch flexibel und geschmeidig: der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu

Von Jürgen Gottschlich

Der Mann weiß, was er will. Als Mevlüt Çavuşoğlu kürzlich gemeinsam mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas auf einer Veranstaltung in der Deutschen Schule in Istanbul Fragen der SchülerInnen nach seiner Karriere beantwortete, machte er keinen Hehl daraus, dass er spätestens seit seinem Studium ein Spitzenamt in der Politik angestrebt hat. Außenminister sei immer ein Traum von ihm gewesen, und deshalb hat er auch an der politischen Fakultät in Ankara erst Internationale Beziehungen studiert und später über die EU promoviert.

Çavuşoğlu ist einer der wenigen Minister in Präsident Erdoğans Kabinett, der Gewicht hat. Während andere eher Ressortverwalter sind, will und kann er auch gestalten. Erdoğan vertraut ihm, und Çavuşoğlu ist bei fast jedem Auslandsbesuch des Präsidenten an dessen Seite. Wenn überhaupt jemand aus der derzeitigen türkischen Regierung dazu in der Lage ist, wenigstens wieder normale Arbeitsbeziehungen zur EU herzustellen, dann ist es Çavuşoğlu. Wie es sich für einen Außenminister gehört, ist er politisch sehr flexibel und geschmeidig. Er kann sehr abweisend sein, aber auch sehr zuvorkommend und moderat im Ton.

Legendär ist seine Teestunde mit Deutschlands Ex-Außenminister Sigmar Gabriel in dessen Haus in Goslar. Deniz Yücel saß noch im Gefängnis, die Nazivorwürfe Erdoğans gegen die Bundesregierung lagen noch in der Luft, da tauten die beiden Außenminister mit vereinten Kräften die Beziehungen wieder auf. Denn letztlich ist Mevlüt Çavuşoğlu einer der wenigen „Europäer“ in der türkischen Regierung. Er war Vorsitzender der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, 2013 wurde er erst EU-Minister, ein Jahr später machte ihn der damalige Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu dann zum neuen Außenminister.

Mevlüt Çavuşoğlu ist zwar in erster Linie türkischer Nationalist und träumt wahrscheinlich genau wie sein Präsident von der kommenden Größe der Türkei, aber letztlich sieht Çavuşoğlu sein Land doch eher als Teil Europas denn als Vormacht im Nahen Osten oder als eurasische Macht an der Seite Russlands und Chinas. Er war zwar in den letzten Wochen oft damit beschäftigt, gemeinsam mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow das Abkommen zu Idlib auszuhandeln, durch das mindestens vorläufig eine Großoffensive auf die letzte syrische Rebellenprovinz verhindert wurde, dennoch hat er seine Bemühungen um eine Annäherung an Deutschland und Europa nicht vernachlässigt.

Mevlüt Çavuşoğlu gehört zu den Gründern der AKP. Er wurde in seinem Wahlkreis in der Touristenhochburg Antalya dreimal wiedergewählt. Er lädt gerne Kollegen und Journalisten nach Antalya ein – vermutlich, um wenigstens ein paar Tage im Jahr in seiner Stadt sein zu können. Er wurde am 2. Februar 1968 geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn.