Türkischer Staatspräsident in Köln: Hinterzimmer statt Schlossempfang

Unter Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit hat Recep Tayyip Erdoğan eine der größten Moscheen Europas eröffnet.

An einer Hauswand in der nähe der Zentralmoschee hängt ein Transparent mit der Aufschrift «Erdogan not welcome, Solidarität mit Rojava».

Hauswand unweit der Ditib-Moschee: „Erdogan not welcome, Solidarität mit Rojava“ Foto: dpa

KÖLN taz | Hubschrauber in der Luft, Scharfschützen auf den Dächern: Unter massivem Polizeischutz hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan am Samstagnachmittag die neue Kölner Zentralmoschee offiziell eröffnet. Obwohl die Stadtverwaltung eine Feier unmittelbar vor dem Gotteshaus im Stadtteil Ehrenfeld aus Sicherheitsbedenken untersagt hatte, standen tausende Anhänger Erdoğans an den Zufahrtsstraßen Spalier. Immer wieder skandierten sie den Namen des Politikers oder Slogans wie „Türkiye vatan“ – also „Heimat Türkei“. Auch zeigten sie das Rabia-Zeichen der ägyptischen Muslimbrüder und den Wolfsgruß der türkischen Rechtsextremen.

Gegen den Autokraten protestierten dagegen weniger Menschen als erwartet. Zu einer „Erdoğan not welcome“-Demonstration im linksrheinischen Deutz kamen etwa 1.500 DemonstrantInnen – gerechnet hatte man mit etwa 5.000. Bei einer von alevitischen Gemeinden organisierten Kundgebung versammelten sich weniger als 1.000 GegnerInnen des türkischen Staatschefs. Auch hier hatten die Organisatoren mit mehr Menschen gerechnet, und im Vorfeld auf 3.000 TeilnehmerInnen gehofft.

„Solidarität heißt Widerstand“, rufen die DemonstrantInnen auf der „Erdoğan not welcome“-Demo. Am offenen Mikrofon erinnerten sie an „70.000 Festgenommene in der Türkei“, an „160 inhaftierte Journalisten“, an den über ein Jahr lang festgehaltenen Welt-Korrespondenten Deniz Yücel.

Der türkische Präsident musste auf die Unterstützung von PolitikerInnen aus Deutschland verzichten – bei der offiziellen Eröffnungsfeier der Moschee, die als eine der größten in Europa gilt und faktisch bereits seit etwa einem Jahr genutzt wird, waren weder der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen noch die Stadt Köln vertreten. Grund dafür war die wenig professionelle Kommunikation der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (Ditib), die Bauherr der Moschee ist. Ditib ist von der staatlichen türkischen Religionsbehörde (Diyanet) finanziell abhängig und untersteht Erdoğan.

Unklare Kommunikationspolitik der Ditib

Offenbar ohne Rücksprache hatte der Moscheebetreiber Mitte September verkündet, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) werde bei der Eröffnung des Gotteshauses dabei sein – Laschets Staatskanzlei dementierte allerdings prompt. Zugestanden wurde dem türkischen Staatspräsidenten nur ein Gespräch auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn, nachdem die Eigentümer des an die Universität Köln vermieteten Schlosses Wahn ein Treffen vor historischer Kulisse verhindert hatten – einen Besuch des Autokraten auf ihrem Besitz lehnten sie „aus politischer Überzeugung“ ab.

Im Interview mit der taz am Wochenende hatte Nordrhein-Westfalens Regierungschef schon zuvor gefordert, Ditib müsse sich auf auf „eine theologische, seelsorgerische Arbeit konzentrieren, nicht Politik machen“. Werbung für eine türkische Bestzung Syriens oder eine Beobachtung von Anhängern der Gülen-Bewegung in Deutschland sei inakzeptabel – und das werde er Erdoğan auch deutlich machen, sagte Laschet.

Nicht zu der Eröffnung erschien auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Selbst zwei Tage vor der Eröffnung sei die Rolle der Stadt bei den Feierlichkeiten völlig unklar, hatte die parteilose Politikerin am Donnerstag im Stadtrat über das Organisations- und Kommunikationschaos der Ditib geklagt. Zuvor hatte Reker deutlich gemacht, in der Moschee auch reden zu wollen. Doch Ditib fürchtete offenbar Forderungen nach einer liberalen, toleranten, weltoffenen Interpretation des Islam, ebenso wie Kritik an der Politik Erdoğans und fehlender Demokratie in der Türkei: „Das Handeln der türkischen Regierung verletzt täglich die Menschenrechte“, heißt es in einer Resolution, die das Kölner Stadtparlament beschlossen hat.

Erdogan Mitarbeiter kritisieren deutsche Absagen

Mangelhafte Kommunikation war auch Grund für das Verbot einer Feier tausender Erdoğan-AnhängerInnen direkt vor der Moschee, zu der Ditib auf Facebook aufgerufen hatte und zu der bis zu 25.000 Menschen erwartet wurden. Dazu fehle allerdings jedes belastbare Sicherheitskonzept, dass etwa ausreichend Fluchtwege vorsehe, argumentierte Oberbürgermeisterin Reker ebenso wie Polizeipräsident Uwe Jacob. Präsentieren durfte sich der türkische Staatschef deshalb nur auf dem unmittelbaren Moscheegelände selbst vor rund 500 geladenen Gästen. Seine AnhängerInnen kamen trotzdem, blieben aber außer Sichtweite.

Grund für das Chaos bei Ditib sei, dass der Moscheebetreiber offenbar selbst von Erdoğans Besuchswunsch überrascht worden sei, urteilen Beobachter wie der WDR-Journalist Erkan Arikan. Doch was die türkische Regierung genau wünschte, sei offenbar unklar geblieben. Ein Mitarbeiter des Staatschefs kritisierte dagegen die Absage eines großen Straßenfestes tausender AKP-AnhängerInnen durch Stadt und Polizei.

Das sei „unschön“, sagte der Erdoğan-Vertraute Mustafa Yeneroglu: Schließlich kritisiere die deutsche Seite „die Türkei ständig wegen Beschneidung der Versammlungsfreiheit und anderem“. AnwohnerInnen aus umliegenden Häusern versuchten, die etwa anderthalbstündigen Festreden mit kölscher Musik zu übertönen. An einem Fenster gegenüber der Moschee hing ein Plakat, das verkündete: „Dictators not welcome.“

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