Kolumne Pressschlag: Mia san narrisch

Wagt es nicht, uns nochmal zu kritisieren: Der FC Bayern München holt zur großen Medienkritik aus und entlarvt sich dabei selbst.

Hoeneß und Rummenigge

„Falsche Fakten werden kontinuierlich verkauft“ – von diesen beiden Vereinsfunktionären? Foto: dpa

Philipp Lahm wird schon gewusst haben, warum er den Posten beim FC Bayern abgelehnt hat. Nun kann er sich glücklich schätzen, dass bei einer historischen Pressekonferenz statt seiner der bedauernswerte Hasan Salihamidzic da sitzen musste und sich mit Hoeneß und Rummenigge völlig blamierte. Der Uli und der Kalle, die beiden alten Granden des derzeit sinkenden Schiffes FC Bayern, haben beschlossen, noch mal so richtig einen raus zu hauen.

Es war lange eine erfolgreiche Taktik beim FC Bayern und eine liebevoll gepflegte: die Ablenkungsdiskussion in der Krise. Aber es sagt einiges über die aktuelle Situation, dass der Führungsetage selbst das nicht mehr gelingt.

„Falsche Fakten werden kontinuierlich verkauft“, eröffnete Rummenigge bei einer Pressekonferenz trumpistisch, nachdem er offenbar Fake News einmal durch die Google-Translate-Übersetzung gejagt hat. Der Bayern-Boss hat eine gemeine Verschwörung aufgedeckt: „Unwahre Fakten sollen genutzt werden, um den FC Bayern wieder auf Normalmaß zu stutzen.“

Rolex-Kalle und Steuer-Uli möchten die Bundesliga vor der moralischen Verwahrlosung bewahren: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, dozierte Rummenigge völlig ironiefrei. Anschließend legten beide in einer halbstündigen Lügenpresse-Tirade dar, warum sie die Menschenwürde durch mediale Kritik akut gefährdet sehen.

Uli Hoeneß

„Ich bin ein großer Demokrat.“

„Altherren-Fußball“ von Hummels und Boateng zählte Rummenigge auf, oder die „respektlose, unverschämte“ Altersdiskussion über Robben und Ribéry. Tatsächliche mediale Fehlinformationen fielen den beiden dabei nicht ganz so viele ein, aber das machte ja nichts. Dafür drohten die Bayern-Bosse, dass sie „diesen Stil der Berichterstattung nicht mehr akzeptieren werden“. Journalisten wurden dabei namentlich attackiert, Unterlassungsklagen angedroht.

Die Opferinszenierung ist auf viele Arten erschreckend und skurril. Ein offenbar ratloser Verein benutzt eine PK, um Medienvertreter massenhaft (und ganz bewusst namentlich) zu bedrohen und Kritik als Fake News zu degradieren. Das sind Mittel, die gerne benutzt werden heutzutage. Dessen muss sich die Bayern-Führung bewusst sein. Sie tut es trotzdem. „Wir haben eigene Kanäle wie FC Bayern TV“, beschied Rummenigge.

Die Bayern waren ein Vorreiter des Trends, auf Vereinskanälen ihre eigene Version der Wahrheit zu erzählen. Für Nachfragen gab es dann auf der PK auch nicht mehr allzu viel Zeit. Wer wissen will, wie alles wirklich ist, kann ja FC Bayern TV einschalten. Ausgerechnet die Attacke-Fraktion an der Bayern-Spitze, die das Spiel aus grellen News und Kumpeljournalismus mit erfunden hat, empört sich gestellt. Und ausgerechnet die loyalen FC Bayern-Journalisten bekamen ihr Fett weg. Die Botschaft: Wagt es nicht, nochmal zu kritisieren.

Kein Name ist so belastet wie dieser. Wer heißt heute noch „Adolf“? Wir haben vier Männer unterschiedlichen Alters gefragt, wie dieser Vorname ihr Leben prägt – in der taz am wochenende vom 20./21. Oktober. Außerdem: Ein Regisseur will mit Theater heilen und probiert das jetzt in Sachsen. Eine Pomologin erklärt, wie sich alte und neue Apfelsorten unterscheiden. Und Neneh Cherry spricht über ihr neues Album. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die besten Zitate lieferte der mittlerweile offenbar völlig von allen guten Geistern verlassene Uli Hoeneß. Nur wenige Minuten nach Rummenigges Ansprache machte er Juan Bernat brutal nieder und nannte ihn „allein dafür verantwortlich, dass wir fast aus der Champions League ausgeschieden sind“. In puncto seines Angriffs auf Özil, der habe einen Dreck gespielt, räumte Hoeneß großzügig ein: „Ich hätte nicht Dreck sagen dürfen, sondern Mist.“ Die Widersprüche fielen ihm offenbar nicht auf.

Schließlich fand Hoeneß selbstgewiss: „Ich bin ein großer Demokrat.“ Die Bayern-Bosse, im Sturzflug rasend um sich schlagend, wirken wie eine Karikatur ihres einstigen Selbst. Vielleicht wird man mal sagen, das war der Moment, wo Streitbarkeit und Selbstbewusstsein endgültig in Weltfremdheit kippten.

Daneben saß hilflos Hasan Salihamidzic und kläffte ein wenig mit. Er sei entsetzt über die Berichterstattung über seine Spieler. „Ich werde sie verteidigen.“ Allerdings nicht Bernat. Der gehört ja nicht mehr zur großen Bayern-Familie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.