geht’s noch?
: Von wegen Aufklärung

Im Fall des mutmaßlich getöteten saudischen Kolumnisten Jamal Khashoggi geht es den USA nur darum, den Preis für das „Weiter so“ herauszufinden und festzulegen

Jetzt ist also auch US-Präsident Donald Trump leidlich davon überzeugt, dass der saudische Journalist und Kolumnist der Washington Post, Jamal Khashoggi, nicht mehr am Leben ist. Die zunächst von den türkischen Behörden lancierte Horrorgeschichte, dass Khashoggi am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul von einem eigens eingeflogenen 15-Mann-Team zunächst verhört, brutal gefoltert, schließlich umgebracht, zerstückelt und in Einzelteilen aus dem Haus geschafft wurde, scheint wahr zu sein.

Für Donald Trump ist das ein Pro­blem. Nicht der bestialische Mord an sich, sondern dass die ganze Welt davon mitbekommen hat. „Bad, bad stuff“, grummelt der US-Präsident, der sich noch im Wahlkampf seiner guten Geschäftsverbindungen zu den Saudis rühmte und dessen Schwiegersohn Jared Kushner eine enge Allianz, ja Freundschaft zu eben jenem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman etabliert hat, der jetzt als Auftraggeber des Mordes verdächtigt wird.

Saudi-Arabien ist nicht nur einer der wichtigsten Abnehmer US-amerikanischer Rüstungsgüter, die Saudis sind auch der engste Verbündete der USA in der Region gegen Iran. Sollte diese Allianz nach dem Fall Khashoggi nicht mehr zu halten sein, erschüttert das die gesamte US-Bündnisstruktur im Nahen und Mittleren Osten.

Und weil das aus Washingtoner Sicht auf keinen Fall geschehen darf, geht es jetzt um alles Mögliche, aber ganz sicher nicht um Aufklärung. Es geht einzig und allein darum, den Preis fürs Weitermachen wie bisher zu taxieren.

Eine Prognose, für die man kein Experte sein muss: In einigen Monaten – wenn alle in engen Geschäftsverbindungen mit Saudi-Arabien stehenden ausländischen Konzerne und Regierungen ausreichend Empörung bezeugt haben – wird irgendein unterer Verantwortlicher geschasst oder gar verurteilt worden sein. Das saudische Königshaus wird den Vorfall bedauern, von dem es selbstverständlich keinerlei Kenntnis hatte. Zuerst US-Außenminister Mike Pompeo und dann Donald Trump werden das für glaubwürdig erklären. Und bei der nächsten Investorenkonferenz in Riad sind alle wieder dabei, die jetzt abgesagt haben.

Denn eins ist doch offenkundig: Im Verhältnis westlicher Staaten zu Saudi-Arabien spielen Menschenrechte nun wirklich keine Rolle. Und wäre Kha­shoggi nicht in US-Medienhäusern ein und aus gegangen, sondern ein unbekannter Blogger oder eine Frauenrechtlicherin, gäbe es überhaupt keine Krise.

Bernd Pickert