Neue Potenziale der Berichterstattung

In Echtzeit zu berichten, ist für Zeitungen eigentlich unmöglich. Doch dank Smartphone-App und mobilem Internet können wir Leser*innen nun live ins Geschehen einbeziehen und unsere Arbeit transparenter machen. Zum Dank gibt’s dafür Kochtöpfe

Screenshots aus Periscope-Übertragungen der taz. Den „Helm“ (rechtes Bild) erhielt Anett Selle mit einem Geschenkpaket per Post. Darin auch Batterien für ihren Einsatz und Schoko-Kaffeebohnen Screenshots: taz

Von Martin Kaul

Als unsere Kollegin Anett Selle in dieser Woche in die taz kam, stand dort ein großes hellbraunes Paket auf dem Tisch. Zugeklebt, frankiert und adressiert an sie. Darin befanden sich ein Kochtopf und außerdem: Zwei Walkie-Talkies, ein Satz Batterien, zwei Ladekabel und mehrere hunderte Espressobohnen. Jede einzelne von Schokolade umhüllt, verpackt in Papier, ein kleiner Energiebooster für unterwegs, lecker.

Bei diesem Paket handelte es sich nicht um eine Bestellung, sondern um eine Aufmerksamkeit von einer Leserin. Oder müssen wir nicht eigentlich sagen: Von einer Zuschauerin? Der Kochtopf, schrieb sie, möge Selle künftig im Hambacher Forst als guter Helm dienen. Anett probierte ihn an und versprach, ihn bei Gelegenheit auf seine Geländegängigkeit zu überprüfen.

Dieses Paket ist eine von vielen Nettigkeiten gewesen, die unsere Redaktion derzeit erreichen. Wir stellen fest, dass häufig auch Menschen, die der taz vorher nicht verbunden waren, uns für etwas schätzen lernen, das wir eigentlich erst erproben: Unsere Video-Live-Berichte auf Periscope. Wir stellen fest, dass sie das würdigen, dass sie daran teilhaben und dass sie dafür auch gerne unsere Arbeit auf die eine oder andere Art unterstützen – manche mit einem regelmäßigen Beitrag, einer einmaligen Spende, andere mit einem taz-Abo. Wieder andere werden Genoss*innen – oder schicken Pakete.

Journalismus mit Potenzial

Periscope ist eine Handy-App, die es uns ermöglicht, von unterschiedlichen Orten live ins Netz zu streamen und dabei zu zeigen, was gerade irgendwo passiert. Vielen ist das schon aufgefallen: Wie unermüdlich Anett Selle dies derzeit tut, und so die Entwicklungen der letzten Wochen im Hambacher Forst sicherlich so nah begleitet hat wie kaum eine zweite Person.

Das Ergebnis dieser Arbeit, vor allem aber auch die sehr vielen positiven Rückmeldungen zeigen uns, dass diese Form des – manchmal etwas verpixelten – Journalismus Potenzial hat. Sie ermöglicht es uns, mehr zu zeigen, als für gewöhnlich in einen Text passt, und hilft unseren Zuschauer*innen, ein umfassenderes Bild zu erhalten, als sich dies oft in kurzen „Tagesschau“-Beiträgen einfangen lässt. Sie ist dadurch auch geeignet, das Vertrauen in den Journalismus zu befördern und die Produktionsbedingungen unserer Reporter*innen vor Ort zu zeigen. Die Möglichkeiten und Grenzen dieses Formates wollen wir künftig strukturierter erproben. Bereits mit unserer #Maischalte hatten wir einen Tag lang von unterschiedlichen Orten Deutschlands gestreamt.

Technik, die Spaß macht

Künftig wollen wir verstärkt darüber nachdenken, welche Möglichkeiten die Live-Reportage für den Journalismus und für Sie als Leser*innen und Zuschauer*innen bietet. Warum reden Sie dabei nicht mit?

Zum Beispiel am Sonntag, rund um die Landtagswahl in Bayern. Dann wird Anett Selle für die taz in Bayern unterwegs sein, um in ihren Livestreams die Wahl zu begleiten. Sie hat sich ein Zimmer im Allgäu gebucht, ist am Morgen mit dem ehemaligen Fernsehrichter Alexander Hold (Sat.1) verabredet, der dort für die Freien Wähler antritt – und wird aus München von den Wahlpartys im Landtag und den Wahlergebnissen berichten. Sie können dabei sein, Ihre Fragen stellen und ihr folgen. Dazu richten Sie sich einen Periscope-Account ein und folgen @anettselle auf Periscope und Twitter. Wenn Sie mögen, erhalten Sie dann eine Push-Nachricht auf Ihr Handy, sobald Selle live unterwegs ist. So verpassen Sie nichts.

Sie können dort auch unserem @tazgezwitscher-Account folgen, und, wenn Sie mögen, mir (@martinkaul). Gemeinsam mit Ihnen wollen wir in den kommenden Monaten erproben, wie Ihnen und uns diese Technik besonderen Spaß macht, wie sie uns klüger macht und wie wir sie nutzen können. Schicken Sie uns Ihre Anregungen, Ihre Themenhinweise und auch Ihre Kritik per E-Mail an live@taz.de. Dann können wir es so machen, dass es Ihnen gefällt und Ihnen möglichst nützt. Denn das soll es.