Dokumentarfilm über Yılmaz Güney: Das ungeheure Wort Kurdistan

Hüseyin Tabaks Dokumentarfilm „Die Legende vom hässlichen König“ nähert sich dem Mythos des Filmemachers Yılmaz Güney.

Der Filmemacher Yilmaz Güney

Yılmaz Güney vor dem Filmplakat von „Yol“ Foto: mitosfilm

Ein junger Mann, der sich mit verbundenen Augen am Ufer eines Flusses im Kreis dreht auf der Suche nach einem Schatz, der ihm den Ausweg aus seinem Elend ermöglicht. Yılmaz Güneys „Umut“ (Hoffnung) ist ein Meilenstein des politischen Films in der Türkei, Güney selbst eine Legende.

Der Werdegang Güneys reicht von Rollen im populären türkischen Genrekino der 1960er Jahre – in „Çirkin Kral“ (Der hässliche König) spielt er etwa einen Helden im Smoking mit deutlichen James-Bond-Anklängen – über gleich mehrere Versuche, ein neues Kino zu schaffen: zunächst innerhalb der türkischen Filmindustrie der Zeit, später dann außerhalb. Der Filmemacher Hüseyin Tabak nähert sich Güney in seinem Dokumentarfilm „Die Legende vom hässlichen König“ und versucht, der Person hinter den Mythen näher zu kommen.

In Gesprächen mit Weggefährten und Filmkritikern arbeitet Tabak die Sonderstellung Güneys im türkischen Kino heraus: zunächst als wandlungsfähiger Schauspieler, der viele der anderen männlichen Darsteller des türkischen Kinos der 1960er Jahre wie blasse Schönlinge aussehen ließ, dann als Regisseur, dessen Geschichten, die sich aus Güneys eigener Biografie und aus teils langwierigen Recherchen speisten, kontinuierlich die Grenzen des Gezeigten neu definierten.

In „Yol – Der Weg“, Güneys vorletztem Film von 1982, steht mitten im Film das Wort „Kurdistan“ in großen Buchstaben quer über dem Bild. Mit „Yol“ gewann Güney eine Goldene Palme in Cannes, die er sich zu gleichen Teilen mit dem griechischen Exilregisseur Costa-Gavras teilte. Die Gespräche mit Familienangehörigen, Freunden und den beiden Ehefrauen Güneys, Nebahat Çehre und Fatoş Güney zeichnen das Bild eines zielstrebigen, sensiblen und zugleich bisweilen aufbrausend-gewalttätigen Künstlers, Vaters, Bruders, Ehemanns.

100 Jahre Gefängnishaft

Güneys filmisches Werk ist untrennbar verbunden mit der politischen Geschichte der Türkei und dem Kurdenkonflikt. Zweimal wurde Güney inhaftiert: ein erstes Mal wegen Unterstützung der Entführer des israelischen Konsuls, der von Anhängern der marxistisch-leninistischen Volksbefreiungsarmee der Türkei entführt und ermordet wurde. Ein zweites Mal, weil er während der Dreharbeiten zu „Endişe“ in der Südtürkei von einem Bezirksrichter in einer Bar angegriffen wurde. Im Gerangel der beiden löste sich ein Schuss aus der Pistole, die Güney bei sich trug.

Eigentlich hätte der Vorfall nur zu einer kürzeren Haftstrafe führen sollen, die die Regierung im Klima der zunehmenden Spannungen, die im September 1980 zum dritten Militärputsch in der Geschichte der türkischen Republik kulminierten, jedoch endlos verlängerte. Güney arbeitete vom Gefängnis aus weiter. Als er von der Justiz der Militärdiktatur jedoch zu 100 Jahren Gefängnis verurteilt wird für das Verfassen prokurdischer Schriften, stimmt er einem Ausbruchsplan zu und flieht nach Frankreich.

„Die Legende vom hässlichen König“. Regie: Hüseyin Tabak. Deutschland/Österreich 2017, 122 Min.

Hüseyin Tabak arbeitet die Wechselwirkungen zwischen Leben und Werk Yılmaz Güneys präzise heraus. In den Gesprächen mit Weggefährten aus der Filmbranche wird klar, weshalb Güneys Filme bis heute prägend geblieben sind: die klare Positionierung als „Volkskünstler“, die gegenüber den wechselnden Regimes kompromisslos geblieben ist und zugleich eine Offenheit für die verschiedenen Formen von Opposition behielt, die präzisen Drehbücher und die Regieführung, die sich selbst ebenso wenig schonte wie die Darsteller, haben das ihre zu den Mythen um Güney beigetragen. Dass Güney in seinen letzten Jahren, bevor er 1984 an Magenkrebs verstarb, eine aktive Rolle im türkisch-kurdischen Exil in Frankreich spielte, trug ein Übriges bei.

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