Landespolitiker im Visier

Weil sie den rechten Frauenmarsch blockiert haben sollen, wird gegen Abgeordnete ermittelt

Von Malene Gürgen

Es war kein ungewöhnliches Bild: Unter den Menschen, die im Februar in Kreuzberg gegen den rechten sogenannten Frauenmarsch protestierten, standen auch Berliner Landes­politiker und eine Abgeordnete des Bundestags: Canan Bayram (Grüne) war ebenso vor Ort wie ihre Parteikollegen Katrin Schmidberger, Fatoş Topaç, Georg Kössler sowie Hakan Taş, ­innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Die Blockaden waren erfolgreich: Der rechte Aufmarsch wurde nach wenigen Hundert Metern gestoppt.

Dass sich insbesondere linke und grüne Abgeordnete bei politischen Protesten in Berlin zeigen, gehört quasi zum guten Ton. Dieses Mal hat es allerdings ein Nachspiel: Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Bayram eingeleitet hat. An diesem Donnerstag soll ihre Immunität aufgehoben werden. Auch die vier Landespolitiker sind ins Visier der Justiz geraten. In einer gemeinsamen Erklärung bestätigten sie am Mittwoch, bei den Protesten vor Ort gewesen zu sein. „Wir haben großes Vertrauen, dass die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe aufklären wird“, heißt es dort.

Die drei grünen Abgeordneten geben an, als parlamentarische Beobachter vor Ort gewesen zu sein. Dass Parlamentarier in dieser Funktion bei Protesten zugegen sind, ist jahrelange Praxis. „Ich habe damit bislang durchweg gute Erfahrungen gemacht, auch mit der Polizei vor Ort“, sagt Georg Kössler. Eine eigene rechtliche Kategorie gibt es für diese Aufgabe allerdings nicht, es sind also keine speziellen Rechte mit dieser Aufgabe verbunden.

Vorwurf grobe Störung

Hakan Taş geht mit seiner Teilnahme an den Protesten offensiver um: „Selbstverständlich dürfen auch Mitglieder des Abgeordnetenhauses an politischen Versammlungen teilnehmen.“

Konkret wird den Parlamentariern ein Verstoß gegen Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes vorgeworfen: Bestraft werden kann, „wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht“. Eine Formulierung, die Ermessensspielraum zulässt: Was genau eine „grobe Störung“ ist, ist beispielsweise nicht näher definiert.

„Es ist nicht das erste Mal, dass mich Rechte wegen der Teilnahme an so einem Protest anzeigen“, sagt Taş, „aber es war jahrelang Praxis, dass diese Verfahren eingestellt werden.“ Warum das in diesem Fall anders gehandhabt wird, wollte die Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage nicht kommentieren. Taş bezeichnete die Entwicklung als „sehr bedenklich“.

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