Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um
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Die große Rebellion gegen den Hang zum Rechteck in der Malerei ist schon eine Weile her. In den Sechzigern schrieb die „Shaped Canvas“-Bewegung Kunstgeschichte. Ein fernes Echo dieses historischen Diskurses durchweht die Räume von Sandy Brown, denn auch in der Kunst Malerin Quintessa Matranga (geboren 1989 in New York) dreht sich einiges um die inhaltliche Seite formaler Entscheidungen. Präsentiert werden ein knappes Dutzend klein- bis mittelformatiger Gemälde in Form eines Sarges. Das verleiht der ganzen Schau zusätzlich zur Konzeptgeste auch einen spielerischen Pop-Goth-Charakter. Matranga malt neben monochromen Farbfeldern auch menschliche Gedärme, einen weit aufgerissenen Mund vor einem Hintergrund aus Leopardenmuster oder lässt eine kleine Punkfigur hinter dem großen Reißverschluss einer Lederjacke hervorlugen (bis 24. 11., Mi.–Sa. 11–18 Uhr, Goebenstr. 7).

Elektronische Düsternis umfängt das Publikum in der Future Gallery, wo die in 1989 in Sarajevo geborene und heute in Marseilles lebende Künstlerin Estrid Lutz eine Ausstellung mit dem Titel „Toxins“ präsentiert. Durch die zeitweise abgedunkelte Galerie stolpern die Besucher wie durch die Ruine einer explodierten Serverfarm, wo am Boden und an den Wänden noch phosphoriszierende Platinenreste verglühen. Für ihre Assemblagen benutzt Lutz unter anderem Wabenplatten aus Aluminium, Carbongewebe , Glasfasern und Epoxidharze. Manchmal schillert das Techno-Material wie eine Schlangenhaut oder organische Strukturen wie Pflanzenformen schälen sich aus einem Gewirr von Linien. Im Giftmüll der Maschinen werden Geister lebendig (bis 10. 11., Mi.–Sa. 13–18 Uhr, Schöneberger Ufer 59).

Das verführerische Flimmern der Bildschirme, dem die Gegenwart so sehr verfallen ist, umkreisen die Großformate von Joep van Liefland. Der 1966 im niederländischen Utrecht geborene Künstler hat seiner Schau bei GNYP den Titel „Photon Psycho“ verpasst. Tatsächlich schaut man wie hyptnotisiert auf die RGB-Bilder die auf dem gleichnamigen Standard für die Übertragung von Farb-Videosignalen verweisen. Nach einer Weile der Betrachtung setzt ein Flirren und milder Schwindel ein. Es handelt sich um eine Art von Nicht-Bildern, die das pure ungegenständliche Signal zitieren, das auf Bildschirmen erscheint, wenn es nichts zu sehen gibt. Technizistische Bildtitel wie „RGB 3700“ passen gut dazu. Nur einmal taucht das Wort „Giverny“ auf – gemeint ist der Garten von Claude Monet, dem Meister des Impressionismus (bis 30. 12., Knesebeckstr. 96, Do.–Sa. 13–18 Uhr).