„Fußverkehr ist diskriminiert“

Zwei Anti-Auto-Aktivisten wurden angezeigt. Warum, erklärt Denis Petri von Changing Cities

Denis Petri

42, ist politischer Referent von Changing Cities.

Interview Plutonia Plarre

taz: Herr Petri, zwei Aktivisten von Changing Cities haben Post von der Polizei bekommen. Was ist der Inhalt?

Denis Petri: Die beiden werden beschuldigt, gegen das Versammlungsgesetz verstoßen zu haben.

Die beiden hatten am 21. September an einem Aktionstag teilgenommen, bei dem Parkplätze besetzt wurden. Richtig?

Genau. Der PARKing-Day ist ein weltweiter Aktionstag, der jedes Jahr im September stattfindet. Parkplätze, auf denen gerade kein Auto stehen, werden kurzzeitig in einen kleinen Park oder eine Art Wohnzimmer umgestaltet.

Wie geht das?

Man stellt Stühle Tische und Blümenkübel hin oder ein Sofa und Spielgeräte für Kinder oder einfach nur Fahrräder. Es gibt viele Möglichkeiten. Es geht darum, aufzuzeigen, wie viel Platz im öffentlichen Raum für den ruhenden Verkehr verschwendet wird. Ein Auto steht 23 Stunden am Tag auf dem Parkplatz rum.

Wie viele Leute haben sich beteiligt?

Wir haben da keine Zahlen, der PARKing Day ist ein dezentraler Aktionstag. Organisiert wird er von den einzelnen Netzwerken für Fahrradfreundlichkeit. An vielen Orten in der Stadt gab es Aktionen. Die Aktivisten, gegen die jetzt ermittelt wird, gehören zu Netzwerken in Friedrichshain- Kreuzberg und Neukölln. Soweit wir wissen, sind die beiden die einzigen, die Post von der Polizei bekommen haben.

Wie ist die Polizei an die Daten gekommen?

Die beiden hatten die Aktion als Spontanversammlung angemeldet, nachdem die Polizei vor Ort darum gebeten hatte. Sie haben sich jetzt einen Anwalt genommen. Alles Weitere wird man sehen.

Warum machen Sie das jetzt öffentlich?

Uns geht es darum, die Diskriminierung des ruhenden Fußverkehrs öffentlich zu thematisieren. Unsere Forderung ist natürlich, dass wir analog zum Gedanken des Mobilitätsgesetzes auch zu einer Verbesserung der Situation kommen, was solche Aktionstage betrifft. Uns geht es darum, die Platzverschwendung im öffentlichen Raum durch parkende Autos stärker in die Debatte zu rücken.

Was fordern Sie mit Blick auf die beschuldigten Aktivisten?

Wünschenswert wäre, wenn das Verfahren eingestellt würde.

Warum formulieren Sie das so vorsichtig?

Das Problem ist die geltende Rechtslage, die genau diese Diskriminierung vornimmt.

Geht es genauer?

Das Problem ist das Straßengesetz. Unter Gemeingebrauch steht da: Verkehr. Deshalb hat man den Begriff „ruhender Verkehr“ für parkende Autos erfunden, um das unter Gemeingebrauch packen zu können. Was Verkehr ist, ist in dem Straßengesetz aber nicht näher definiert. Wir sagen: Der PARKing-Day ist ruhender Fußverkehr. Wenn geparkte Autos ruhender Verkehr sind, muss man dem ruhenden Fußverkehr die gleichen Privilegien einräumen. Wir fordern eine Klarstellung im Straßengesetz. Der Senat könnte sich das mal im Sinne einer umfassenden Strategie vornehmen, jetzt, wo das Mobilitätsgesetz verabschiedet ist.