Der Schuh, den er sich nicht anziehen will

Ein Anhänger von Donald Trump schickt 13 Paketbomben an ausgesprochene Gegner des US-Präsidenten. Der ist sich keiner Schuld bewusst. Den Ausgang der Midterms am 6. November könnte die Affäre trotzdem beeinflussen

Jede Verantwortung für sein Tun lehnt Donald Trump ab

Cesar S. Jr. heißt der Mann, der am Freitag in Florida unter dem Verdacht festgenommen wurde, der Absender der 13 Paketbomben zu sein, die in der vergangenen Woche an etliche ausgesprochene Gegner von US-Präsident Donald Trump gesendet worden waren. Keine der Bomben explodierte, zu Schaden kam niemand.

Schon die Liste der potenziellen Briefbombenopfer schien zu zeigen, dass es sich beim Urheber um einen besonders enthusiastischen Trump-Anhänger handeln dürfte. Genau das ist der mutmaßliche Täter Cesar Sayoc. Der 46-Jährige lebte in einem umgebauten Lieferwagen, der von außen mit Trump-Propaganda vollgeklebt war. Auf sozialen Medien konnte man sehen, wie er mit der „Make America Great Again“-Baseballcap begeistert an Trump-Versammlungen teilnahm.

Eine gescheiterte Existenz, ein Einzelgänger, ein Aufschneider, der herumerzählte, er sei früher Profi-Fußballer beim AC Mailand gewesen und studiere jetzt Veterinärmedizin, einer, der pleiteging und sein Haus verlor und schließlich, so beschreiben es US-Medien, in Donald Trump so etwas wie eine Vater- und Führungsfigur fand. Kurz: Sayoc ist genau der Mann, für den Trump seine Wahlveranstaltungen abhält. Politisch kaum oder gar nicht gebildet, nicht nur gefühlt abgehängt, sondern tatsächlich, in Florida als Republikaner registriert. Und schlicht genug, die feindselige Rhetorik Trumps als Auftrag zum Handeln zu verstehen.

Trump selbst mochte sich den Schuh nicht anziehen, da sei jemand am Werk gewesen, der seine eigenen Aufrufe ein bisschen zu wörtlich nahm. Stattdessen gab er erneut den Medien die Schuld: „Die andauernde, unfaire Berichterstattung, die Feindseligkeit und die Angriffe nutzen nur, um die Menschen zu spalten und eine gesunde Debatte zu unterminieren“, sagte Trump auf einer Veranstaltung in North Carolina am Wochenende.

Dabei ist der Bezugsrahmen, in dem die republikanische Seite argumentiert, eindeutig die Wahl zum Kongress und von Gouverneuren am 6. November. Aus Angst, bei den Briefbomben könnte es sich genau um jene „Oktoberüberraschung“ handeln, die so oft schon wenige Wochen oder gar Tage vor dem Wahltermin noch eine wahlentscheidende Wirkung entfaltet, vermuteten konservative Radiokommentatoren wie Rush Limbaugh sofort, es könne sich eigentlich nur um einen Angriff unter falscher Flagge handeln, der in Wirklichkeit von den Demokraten inszeniert sei, um den Republikanern zu schaden.

Trump selbst nährte diese Theorie, als er auf Twitter von „diesem ‚Bomben‘-Zeug“ schrieb, das nur ablenke. Die Anführungszeichen um das Wort „bomb“ erklärte er nicht weiter – musste er auch nicht. In North Carolina drehte Trump das noch weiter: „Wir haben in den letzten Stunden eine große Anstrengung der Medien beobachtet, die böse Aktion eines einzelnen Individuums zu benutzen, um gegen mich und die Republikanische Partei Punkte zu machen.“ Jede Verantwortung seines Tuns und Redens lehnte er ab: „Wie ich höre, war er eine Person, die mich besser fand als andere. Das begründet keine Schuldzuweisung, da ist nichts.“

Trump und den Republikanern wäre es wesentlich lieber gewesen, wenn die Medienaufmerksamkeit weiter bei der Karawane zentralamerikanischer Migrant*innen geblieben wäre, die sich derzeit durch Mexiko in Richtung US-Grenze bewegt. So hat es Trump geschafft, gleich bei beiden in den USA wichtigsten Ereignissen der letzten Woche, sowohl den Briefbomben als auch dem Anschlag von Pittsburgh, nichts von dem zu verkörpern, was eigentlich die Rolle eines US-Präsidenten in solchen Situationen ausmacht: Empathie, innehalten, zur Einheit aufrufen, mit den Opfern trauern. Stattdessen Rechtfertigungen und Angriffe auf den politischen Gegner.

Wie sich die Ereignisse auf den Ausgang der Wahlen auswirken, ist nicht vorauszusagen. Die Demokraten, die siegessicher mit der Hoffnung in den Wahlkampf gestartet waren, zumindest im Repräsentantenhaus wieder die Mehrheit zu übernehmen, waren in den vergangenen Wochen in den Umfragen wieder abgerutscht. Was die Wählermobilisierung angeht, könnten von der Briefbombenaffäre sogar beide Seiten profitieren. Bernd Pickert