„So geht es nicht weiter“

SPD-Vize Ralf Stegner will, dass die Groko in Berlin fortgesetzt wird – wenn sich viel ändert

Foto: Susie Knoll

Ralf Stegner

(59) ist stellvertretender SPD-Vorsitzender und zählt zum gemäßigt linken Flügel der Partei.

Interview Stefan Reinecke

taz: Herr Stegner, wird es für die SPD einfacher, mit Union zu regieren, wenn Merkel nicht mehr CDU-Chefin ist?

Ralf Stegner: Durch andere Parteien wird für die SPD nichts einfacher. Wir müssen unsere Probleme selbst lösen.

Andrea Nahles will ein paar im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesetze zu Pflege, Arbeit und Familien rascher verabschieden. Reicht es, den Koalitionsvertrag noch mal abzuschreiben?

Nein. Wir haben in Hessen einen sehr guten Wahlkampf mit klaren Inhalten gemacht und trotzdem verloren. Arbeit und Erscheinungsbild der Koalition müssen sich rasch und drastisch verbessern. Sonst wird die Regierung keinen Bestand haben.

In dem Nahles-Papier ist kein Ultimatum an die Union formuliert. Warum nicht?

Es ist nicht klug, mit Ultimaten zu arbeiten. Aber klar ist: Wir haben vereinbart, im Herbst 2019 die Arbeit der Koalition zu überprüfen. Da würde ich das Wort „spätestens“ hinzufügen. Manches muss schneller passieren.

Muss die SPD nicht klarere Forderungen an die Union adressieren?

Andrea Nahles hat gesagt, dass es so nicht weitergeht. Das ist unmissverständlich. Wir bleiben nicht auf Gedeih und Verderb in dieser Regierung.

Gibt es eine rote Linie für die SPD für die Regierungsbeteiligung? Und wo verläuft die?

Der Koalitionsvertrag muss ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Außerdem muss bei tagespolitischen Fragen wie beim Diesel Besseres herauskommen. Die Bürger haben den Eindruck, dass sich die Autoindustrie ins Fäustchen lacht.

Beim Dieselskandal ist das Nahles-Papier aber recht schwammig …

Der Text von Andrea Nahles ist eine Diskussionsgrundlage für unsere Klausur am nächsten Wochenende. Da erwarte ich noch viele Vorschläge.

Was will die SPD konkret beim Dieselskandal?

Wer betrogen wurde, zahlt keinen Cent dazu. Den Städten muss bei der Luftreinhaltung geholfen werden. Und die Automobilkonzerne brauchen Druck, moderne und umweltfreundliche Autos zu bauen. Sonst entstehen die neuen Arbeitsplätze in Japan und China, nicht bei uns. Das ist der sozialdemokratische Dreiklang von Verbraucherschutz, Umweltschutz und Arbeitsplätzen. Zweitens: Wir fordern, Waffenlieferungen an Saudi-Arabien komplett einzustellen. Wir sollten grundsätzlich keine Waffen in Kriegsgebiete und an Diktaturen liefern.

Sind Diesel und Saudi-Arabien Szenarien für den Austritt der SPD aus der Groko?

Darum geht es nicht. Man muss aber die eigenen Positionen glasklar formulieren, wenn es besser werden soll.

Parteilinke fordert den sofortigen Austritt der SPD aus der Regierung. Wäre ein Ende mit Schrecken nicht besser?

Nur weil wir schlechte Wahlergebnisse und Umfragen haben, nun die Flucht aus der Verantwortung anzutreten, überzeugt niemanden und ist keine Lösung. Das wäre ein Ausdruck von Schwäche.

AfD und Grüne gewinnen, die SPD wird dazwischen zerrieben. Wie kann die SPD darauf antworten?

Nicht indem wir, wie manche raten, sozialpolitisch nach links und gesellschaftspolitisch nach rechts gehen. Das Erste ist richtig, das Zweite grob falsch. Die meisten fürchten doch nicht die Islamisierung ihrer Gemeinde, sondern zu hohe Mieten oder zu geringe Renten. Gegen die AfD kann es von uns nur beinharten Widerstand geben.