Die Deutschen sind schlecht

Junge Israelis wandern in das Land aus, aus dem ihre Großeltern fliehen mussten. Gil Levanon und Katharina Rohrer stellen in ihrem Dokumentarfilm „Back to the Fatherland“ drei Paarungen vor

Von Ekkehard Knörer

Dan Peled ist Künstler und lebt in Berlin. Klingt banal, wird aber interessanter und heikler, wenn man hinzufügt, dass er aus Israel stammt. Er hat seine Heimat aus politischen Gründen verlassen, als Gegner der rechten Regierung und ihrer Besatzungspolitik. Nun ist er im Land der Schlächter gelandet, vor denen seine Großmutter Lea Ron Peled einst floh. Sie wuchs in Wien auf, entkam den Nazis und lebt mit über neunzig im jüdischen Staat. Nur ihretwegen, meint Peled, fährt er noch in seine Heimat zurück.

Man sieht ihn beim Besuch in Israel. Aber der Film zeigt auch, wie die Großmutter im hohen Alter noch einmal nach Wien kommt, zögerlich erst, am Ende bereut sie es nicht. In einer Szene des Films sprechen die beiden Deutsch miteinander. Er ringt noch ein bisschen damit, für sie ruft die Sprache die Kindheit herauf. Ein wenig scheint es aber, als könne sie dem Enkel erst in der Sprache der Täter von dem, was gewesen ist, wirklich erzählen.

Dan und Lea Ron Peled: Das ist eine der drei Großeltern-­Enkel-Geschichten, die Gil ­Levanons und Katharina ­Rohrers Dokumentarfilm „Back to the Fatherland“ vorstellt. Mit einer Szene zwischen Levanon selbst und ihrem 97-jährigen Groß­vater ­Jochanan Tenzer beginnt der Film: Sie berichtet ihm von ihren Plänen, nach Deutschland zu ziehen – wo er aufwuchs, bevor er als Jugendlicher 1937 nach Palästina auswanderte. Er zeigt für die Enkelin gar kein Verständnis. Die Ablehnung ihrer Entscheidung führt offenkundig nicht zum Bruch, dafür ist sein Urteil jetzt in ihrem Film dokumentiert: Die Deutschen waren und sind schlecht, und sie werden es bleiben.

Die dritte Konstellation: Auch Guy Schachar ist in Israel aufgewachsen und lebt nun mit seiner österreichischen Freundin in Wien. Sein Großvater Uri Ben Rehav war in Theresienstadt und hat die Schoah mit knapper Not überlebt. Von den drei Großelternteilen pflegt er mit der Nazivergangenheit den ironischsten Umgang. Einmal heißt es im Film, dass die Überlebenden den Kindern und Enkeln von ihrem Leben und Überleben entweder gar nichts oder ständig erzählen. Uri Ben Rehav hat immer erzählt, der Enkel alle Geschichten vielfach gehört. Auch Rehav kommt den Enkel in der alten Heimat besuchen. Ihn in der Wiener Tram noch einmal erzählen zu hören, wie ihn die Gestapo, weil er falsch gekleidet war, aufgriff, ist aber eine andere Sache.

Die Regisseurinnen Gil Levanon und Katharina Rohrer sind eng befreundet. Und nicht nur Levanon, auch Rohrer kommt in ihrem Film vor, als Gesprächspartnerin der Protagonisten. Aber sie repräsentiert auch die Täterseite als Enkelin eines hundertprozentigen österreichischen Nazis. In einer Szene holt sie seine Uniform aus einer Dachbodentruhe. Gelegentlich verdichtet sich „Back to the ­Fatherland“ zu solchen geradezu symbolischen Momenten. Meist aber folgt der Film einfach seinen Protagonisten, ihrem Hadern, ihren Gesprächen und Reflexionen.

Mit Erklärungen aller Art sind die Filmemacherinnen dabei grundsätzlich sparsam. Namen werden genannt, ansonsten muss man sich in den gelegentlich etwas unsortierten Zusammenhängen selbst orientieren. Auch die historischen Hintergründe bleiben sehr fragmentarisch, man erfährt nur das, was die Protagonisten berichten. Ob man diese Zurückhaltung als Freiheit oder problematische Verweigerung wahrnimmt, dürfte Geschmackssache sein. Allemal schwierig ist jedoch, wie die Filmemacherinnen diese Zurückhaltung wieder und wieder dadurch konterkarieren, dass sie die Geschichten nicht ganz für sich sprechen lassen, sondern ihnen mit aufdringlich über die Bilder gelegter Musik Atmosphäre abnötigen wollen.

„Back to the Fatherland“. Regie: Kat Rohrer, Gil Levanon. Österreich 2017, 75 Min.