Angela Merkel vor dem EU-Parlament: Unter Beifall und Buhrufen

Die Kanzlerin fordert in Straßburg, die Pläne einer EU-Armee weiter zu verfolgen. Noch-Kommissionschef Jean-Claude Juncker regiert begeistert.

Merkel steht am Rednerpult, im Hintergrund ist die EU-Flagge. Die Sterne stehen über ihrem Kopf und sehen aus wie ein Heiligenschein

Zur Not auch ohne Einstimmigkeit Foto: ap

BRÜSSEL taz | Nach dem französischen Staatschef Emmanuel Macron hat sich jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel für eine europäische Armee ausgesprochen – allerdings recht vage. „Wir sollten an der Vision arbeiten, eine Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen“, sagte die Kanzlerin wörtlich am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. Die EU-Armee solle nicht „gegen die Nato“ gerichtet sein, sondern eine „gute Ergänzung“ darstellen, erklärte Merkel – unter Buhrufen und Beifall gleichermaßen.

Sie verwies auf die über 160 europäischen Waffensysteme, die nicht mehr zeitgemäß seien. Neben gemeinsamen Waffensystemen sei auch eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik nötig. Außerdem betonte die Noch-CDU-Vorsitzende die symbolische Bedeutung: „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt.“ Wie die EU-Armee geschaffen werden könnte, ließ Merkel offen.

Die Debatte über eine europäische Armee hat in den vergangenen Tagen an Fahrt aufgenommen und für Streit mit US-Präsident Donald Trump gesorgt. Trump hatte es am Rande der Feierlichkeiten zum Ende des 1. Weltkriegs als „sehr beleidigend“ bezeichnet, dass Macron ein europäisches Militär aufbauen will, um sich von den USA unabhängig zu machen. Russlands Präsident Wladimir Putin hingegen reagierte gelassen: Es sei „ganz normal, dass es (Europa) unabhängig, selbstständig und souverän in Sachen Sicherheit und Verteidigung sein will“.

Macron möchte zunächst eine schlagkräftige Interventionstruppe aufbauen, außerhalb EU und Nato. In einem zweiten Schritt könnte daraus eine europäische Armee entstehen. Demgegenüber versucht Merkel, die militärische Integration innerhalb von EU und Nato voranzutreiben – und der Bundeswehr dabei eine zentrale Rolle zu sichern.

Merkel will Einstimmigkeitsprinzip aufgeben

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagierte begeistert auf den Vorstoß der Kanzlerin. „Ich bin massivst einverstanden“, sagte der Luxemburger. Juncker lobte Merkel auch für ihre Flüchtlingspolitik. „Die Geschichte gibt Ihnen recht, dass Sie die Grenze nicht geschlossen haben“, sagte er.

Allerdings wünsche er sich mehr Einsatz für die Reform der Eurozone. „Dann wären Sie noch größer“, sagte Juncker, der Merkels Politik auch im Schuldenstreit um Griechenland oder während der Flüchtlingskrise 2015 unterstützt hat.

Um ihre Militärpläne voranzutreiben, möchte Merkel das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik aufgeben. „Wir müssen unser Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen und auf Einstimmigkeit verzichten, wo immer das möglich ist“, sagte sie. Vor allem kleine EU-Staaten sind aber strikt gegen den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Auch deshalb dürfte es über die europäische Armee noch viel Streit geben.

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