heute in bremen
: „Zu viele Menschen haben kein Klo“

Foto: Borda

Christoph Sodemann, 62, ist Sprecher der Bremer NGO Borda, die geschlossene dezentrale Sanitärsysteme entwickelt.

Interview Eiken Bruhn

taz: Herr Sodemann, wozu braucht es den Welttoilettentag?

Christoph Sodemann: Er ist wichtig, um darauf hinweisen zu können, dass die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu einer Toilette hat beziehungsweise keinen zu einer sicheren Sanitärversorgung.

Was meinen Sie damit?

Ich meine damit, dass jemand vielleicht eine Toilette hat, aber die Abwässer nicht sicher entsorgt werden. Da kommt vielleicht ein Absaugwagen, bringt das aber nicht zu einer Kläranlage, sondern pustet dann einfach alles in die Natur.

Was passiert dann?

Fäkalien können mit Keimen verseucht sein, die gefährliche Krankheiten verursachen. Es gibt Schätzungen, nach denen täglich 1.400 Kinder an solchen durch Fäkalien ausgelöste Krankheiten sterben. Deshalb braucht es eine komplette Kette – und die fehlt in vielen Regionen in Asien und Afrika, weil die Städte dort so schnell gewachsen sind. In Bremens Partnerstadt Durban in Südafrika etwa gibt es einen permanenten Zuzug, rund um die Stadt entstehen informelle Siedlungen. Da gibt es niemand, der vorher die Abwasserentsorgung plant, die Leute bauen einfach ihre Hütten, wo Platz ist.

An diesen Orten wird man auch nicht nachträglich Kanäle bauen können.

Nein, das funktioniert nicht wie in Westeuropa mit seinen riesigen Kanalsystemen. Deshalb haben wir uns auf dezentrale Systeme spezialisiert.

Welt-ToilettentagDen Tag gibt es seit 2001 und wurde von der Welttoilettenorganisation ausgerufen, einer NGO. Seit 2013 ist er offizieller UN-Welttoilettentag.

Was heißt „dezentral“?

Da geht es nicht um zwei oder drei große Kläranlagen für eine ganze Stadt, sondern um viele kleine für je 500 bis 1.000 Menschen. Das sind Anlagen, die keine Energiezufuhr brauchen, weil sie nur mit der Schwerkraft arbeiten. Und das Wasser bleibt dort, wo es verbraucht wird, das heißt, es wird nicht in Flüsse geleitet, sondern dient der Bewässerung von Plantagen und Gärten. Aus dem Fäkalschlamm können wir hochwertigen Dünger produzieren.

Sie stellen heute Ihren neu entwickelten „septic bag“ auf der Kläranlage in Seehausen vor. Wozu dient dieser?

Das ist eine mobile Lösung zur Abwasserentsorgung in Flüchtlingslagern. Die entstehen ja oft sehr schnell für mehrere Zehn- oder Hunderttausende Menschen. Dafür müssen derzeit kleine mobile Kläranlagen bereitgehalten werden, etwas so groß wie ein halber Container. Die sind umständlich zu lagern und zu transportieren. Der septic bag ist ein großer aufblasbarer Kunststoffsack, den man zu Dutzenden einlagern kann und der sich auch schnell mit dem Flugzeug transportieren lässt.