Nächte voller Hass

In der AfD Bremen fliegen die Fetzen: Der Abgeordnete Alexander Tassis und der Landesvorstand mailen einander nachts parteiöffentlich, um sich wechselseitig fertigzumachen

Vize Thomas Jürgewitz hat direkten Zugang zum Ohr des Bremer AfD-Chefs Ralf Magnitz Foto: Jean Baeck

Von Gareth Joswig

Die AfD Bremen zerlegt sich weiter. Der Landesvorstand greift den Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis persönlich an und kritisiert scharf dessen Arbeit im Parlament – die Parteiführung will ihm sogar verbieten, sich überhaupt für die AfD Bremen öffentlich zu äußern. Das ergibt sich aus einem der taz vorliegenden Mailverlauf zwischen dem stellvertretenden Landesvorstand Thomas Jürgewitz und Tassis. Der Vorstand will wohl verhindern, dass Tassis bei der anstehenden Landtagswahl erneut kandidiert. Tassis wiederum wehrt sich per Rundmail, hat den Bundesvorstand eingeschaltet und nennt die Vorwürfe eine „unfassbare Frechheit“.

Der Streit passt ins Gesamtbild der AfD Bremen. Die Bremer Parteichefs um den Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz sind schon länger im Streit mit vielen Mitgliedern – vor dem Landgericht laufen etliche zivilrechtliche Klagen gegen autoritäre Parteiausschlüsse, welche die AfD-Spitze wohl sämtlich verliert. Einige Mitglieder hatten öffentlich rebelliert, weil der Landesverband immer weiter nach rechts rückt. Bände über das Miteinander in der Partei spricht der Ton, den Landes-Vize Thomas Jürgewitz in seinen Mails an Tassis anschlägt. In gefetteten Buchstaben und mit vielen Ausrufezeichen formuliert er Sonntagnacht eine zornige Mail „im Namen des Landesvorstands“ an ihn. Betreff: „Parteiordnungsverfahren“.

Er macht ihm eine Vielzahl von Vorwürfen und Vorschriften: „Wir untersagen Ihnen ausdrücklich jedweden Auftritt im Namen des AfD-Landesverbandes Bremen und Erklärungen im Namen der AfD Bremen abzugeben.“ Tassis hätte mit der widerrechtlichen Teilnahme an Bundesfachausschüssen Abstimmungsergebnisse von Gremien anfechtbar gemacht und reise ohne Rücksprache mit der Parteiführung durch die Repu­blik. Mit Blick auf die anstehende Aufstellung zur Bürgerschaftswahl fordert Jürgewitz einen „Tätigkeitsbericht Ihres Wirkens, hier insbesondere Ihrer intensiven Reisetätigkeiten zu ‚Einladungen‘ (…) – und was das mit der Tätigkeit als Bürgerschaftsabgeordneter zu tun hatte?!“ Er erwarte eine Stellungnahme am darauffolgenden Tag.

Seine Antwort würde in Beratungen des Landesvorstands zu Parteiordnungsverfahren und anderen Rechtsfragen einfließen. „Somit wurde Ihnen rechtliches Gehör gewährt!“, schreibt Jürgewitz zum Schluss und drückt um 0:34 Uhr auf „Senden“. In Kopie geht die Mail an die Kontaktadresse des Landesverbandes – sodass auch weitere AfDler*innen mitlesen können.

Tassis Antwort ist an den Vorstand und weitere AfDler adressiert: Er werde sich beim Bundesvorstand beschweren. Solche Mails würden den Landesvorstand beschädigen, schreibt er. Er interpretiere das Schreiben als Alleingang und „psychologische Entäußerung, als eine Art Spiegel und Selbstbezichtigung des Herrn, wie er diese auch in unmöglich ausgeführten und begründeten Prozesshanseleien zu belieben darlegt.“ Jürgewitz missbrauche seine Ämter und sei „leistungsmäßig nicht auffindbar in Sozialen Medien“.

„Auf die Belehrungen des Herrn Jürgewitz gehe ich nicht ein“

Alexander Tassis (AfD, MdBB)

Zu Veranstaltungen sei Tassis als „geschätzter Redner“ eingeladen worden. Schließlich habe er sich bereits 2014 im Thüringer Landtagswahlkampf bei Höcke einen Namen gemacht. Auf die „wie immer merkwürdigen Rechtsauffassungen und Belehrungen des Herrn Jürgewitz gehe ich nicht ein“, so Tassis.

Streit über Inhalte gibt es nicht: Der Bremer Landesvorstand steht mindestens ebenso stramm an der Seite von Thüringens Landeschef Höcke wie Tassis, der als Gründer der patriotischen Plattform am rechten Rand seiner Partei zu verorten ist. Sein Vergleich des historischen Vermächtnisses der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem von Ulbricht und Hitler ist ebenso aktenkundig wie seine unverhohlene Sympathie für die rechtsextremistische Identitäre Bewegung.

Die vielen Ausschlussverfahren sieht er als „Zeichen von Führungsschwäche und innerer Haltung, die ich nicht teile.“ Man könne „das Nationalkonservative“. Die Mail sei eine „unfassbare Frechheit“. Er erwarte, dass sich die „vernünftigen Leute im Landesvorstand von diesem Unsinn distanzieren“. Ob es dazu kommt, bleibt fraglich, zumal Jürgewitz „im Namen des Vorstands“ schrieb. Jürgewitz will allerdings auf Fragen der taz auch gar nicht antworten: „Mit der taz rede ich grundsätzlich nicht.“