Kommentar Demokratie in Hongkong: Immer chinesischer

Politik wird in Hongkong immer stärker von der autoritären KP-Führung vorgegeben. Wer es sich leisten kann, verlässt Hongkong.

Ein Mensch sitzt auf der Straße, ein anderer liegt unter einem Regenschirm

Bei den Regenschirm-Protesten fordern Demonstranten mehr Demokratie, so wie hier 2014 Foto: imago/UPI Photo

„Ein Land, zwei Systeme“ – das hatte die chinesische Führung den Bürgern Hongkongs versprochen, als Großbritannien 1997 nach langen Verhandlungen ihre ehemalige Kron­kolonie an China zurückgab. Für 50 Jahre sollten die Hongkonger die gleichen Rechte genießen können, die sie unter britischer Herrschaft die Jahrzehnte zuvor gewohnt waren. Und das sah auch Wahlen, freie Meinungsäußerung und eine unabhängige Justiz vor.

Damals schien sich Peking daran halten zu wollen. China hatte sich noch nicht vor allzu langer Zeit wirtschaftlich geöffnet, politisch gab es Lichtblicke. Die chinesische Führung zeigte durchaus Interesse, nicht zuletzt auch von westlich beeinflussten Demokratien lernen zu wollen. Entsprechend groß war deshalb die Hoffnung, das kleine Hongkong könnte die Volksrepublik positiv beeinflussen.

Das Gegenteil ist nun der Fall. Politik wird in Hongkong immer stärker von der autoritären KP-Führung vorgegeben. Die Wirtschaft der Stadt ist schon lange abhängig vom chinesischen Festland. Die in China weit verbreitete Korruption, in Hongkong viele Jahrzehnte lang dank funktionierender Gewaltenteilung undenkbar, macht sich nun ebenfalls breit. Sehr viele reiche Festlandchinesen sind zugleich in den letzten Jahren in die chinesische Sonderverwaltungszone geströmt und haben die Mieten und Immobilienpreise in die Höhe getrieben. Hongkong ist heute eine der teuersten Städte der Welt. Vor allem unter jungen Leuten ist der Verdruss groß. Wer es sich leisten kann, verlässt Hongkong.

Der Prozess gegen die neun Demokratieaktivisten, der am Montag begonnen hat, wird zeigen, ob nun auch die Justiz unter den Fittichen der KP steht. Denn eins ist klar. Strafrechtlich haben sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Sie haben lediglich zu Protesten aufgerufen – ein in Hongkong bislang noch formuliertes Grundrecht.

Wird auch die Unabhängigkeit der Justiz missachtet, ist es vollends vorbei mit dem einen Land und den zwei Systemen.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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