Brav abgeliefert

Potenzielle Merkel-Nachfolger zeigen sich

Das war doch schon ganz ordentlich, das mit der christdemokratischen Debattenkultur am Donnerstagabend in Lübeck. „Demokratie erleben“ prangte als Slogan über der Bühne, auf der sich die drei KandidatInnen für den Parteivorsitz der norddeutschen Basis aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern stellten. In diesen – in der Christenunion sonst eher seltenen – Genuss kamen die rund 800 Parteimitglieder in der Kulturwerft Gollan, einer 120 Jahre alten Backsteinhalle im Lübecker Hafen, zumindest ansatzweise. „Echte Aufbruchstimmung in unserer Partei“ wollte der Gastgeber, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und CDU-Landeschef Daniel Günther, auf dieser ersten von acht Regionalkonferenzen erlebt haben.

Etwas vollmundig war das vielleicht, auch wenn Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn unisono „Erneuerung“ und einen „Neustart“ beschworen und mehr innerparteiliche Demokratie und Diskussionen einforderten. „Die Mitmachpartei“ stellt Spahn sich vor, eine Willensbildung „von der Partei zur Regierung und nicht umgekehrt“ will Kramp-Karrenbauer wieder herstellen, und Merz schwärmt von „einer Volkspartei der Mitte für Liberale und Wertkonservative“, die „keine unkontrollierte Einwanderung“ duldet und die innere und äußere Sicherheit „als Markenkern der CDU“ ernst nimmt. Und alle drei BewerberInnen für die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin reden immer wieder von „Freiheit“, die es zu verteidigen gelte: gegen Linke und Gleichmacher, gegen Populisten und Ideologen, gegen Islamisten und Terroristen.

Es gab viel zu klatschen – vor allem pro Merz, viel für Kramp-Karrenbauer, deutlich weniger für Spahn, sofern das ein Gradmesser sein kann. Und es gab wenig zu mäkeln, eher galt es, in moderater Tonlage harmlose Fragen an die Vorsitzenden in spe zu stellen, die diese ebenso artig und fast ohne Seitenhiebe auf die MitbewerberInnen beantworteten.

Um „den Mittelstand“ sorgten sich die Fragenden, um die „überbordende Bürokratie“, um Steuererleichterungen und die nicht erfolgte Abschaffung des Soli oder auch darum, ob die Digitalisierung „die Fliehkräfte in Familie und Gesellschaft“ verstärke – Steilvorlagen, Antworten zu geben, die sich nur in Nuancen unterscheiden.

Auf eine Richtungswahl um den Parteivorsitz am 7. Dezember auf dem Bundesparteitag in Hamburg wies an diesem Abend in Lübeck kaum etwas hin. Ein erster Versuch, innerparteiliche Demokratie neu zu entdecken, mag es gewesen sein und für manche ChristdemokratInnen war das schon sehr viel. „Wir können stolz sein auf diesen Abend“, befand der frühere schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Thomas Stritzl.

Die CDU sei derzeit „die interessanteste Partei Deutschlands“, hatte vor der Konferenz Mecklenburg-Vorpommerns Parteichef Vincent Kokert behauptet. Das aber muss man nach diesem Abend nicht zwingend so sehen. Sven-Michael Veit