Waldbrände in Kalifornien: Das Feuer, die Toten und die Schuld

Noch nie haben die Waldbrände soviel Zerstörung und Tod gebracht. Über die Ursachen des Desasters und die Lehren daraus gibt es Streit.

Aus der Vogelperspektive sieht man ein Viertel, wo statt Häusern nur noch verkohlter Schutt liegt.

Von diesem Viertel der Stadt Paradise ist nichts übriggeblieben Foto: ap

NEW YORK taz | Wo einst Paradise war, sind nur noch verkohlte Trümmerhaufen übrig. In vielen von ihnen mögen die Reste von Vermissten liegen. 81 Opfer des Großbrandes in Kalifornien haben die RettungsarbeiterInnen bereits geborgen, 870 Menschen werden weiterhin vermisst. Für den 20. Tag nach dem Feuer – den Mittwoch dieser Woche – haben die MeteorologInnen sintflutartige Regenfälle in Kalifornien angekündigt. Der Regen könnte die Reste von „Camp Fire“ im Norden Kaliforniens und von „Woolsey Fire“ am Rand von Los Angeles löschen. Aber die erwartete Flutwelle könnte auch manche menschlichen Reste für immer wegschwemmen.

Fest steht schon jetzt, dass die Bilanz der diesjährigen Feuersaison in Kalifornien so zerstörerisch ist wie keine zuvor. Zu den Toten und zu den mindestens 17.148 zerstörten Gebäuden kommt, dass rund 300.000 Menschen zumindest vorübergehend ihre Bleibe verloren haben.

Thanksgiving – das größte Fest im US-amerikanischen Kalender – verbringen viele von ihnen in Notunterkünften und Zeltstädten. Sie atmen die mit Rußpartikeln angereicherte Luft ein, wegen derer Hilfsorganisationen in Sacramento, San Francisco und Oakland weiße Gesichtsmasken ausgeteilt haben.

Wodurch „Camp Fire“ am frühen Morgen des 8. November am Fuß der Sierra Nevada im Norden von Kalifornien begann, ist noch nicht offiziell bestätigt. In Gerüchten ist von Funken von einer oberirdischen Stromleitung die Rede. AnwohnerInnen wollen erfahren haben, dass dem Feuer „Probleme“ im Stromnetz vorausgegangen seien.

Nicht genug Fluchtwege für die Menschen

Aber fest steht, dass sich das Feuer binnen weniger Minuten über einen Berghang in der Größe von zehn Fußballfeldern ausbreitete. Wie der Rest Kaliforniens hat das Gebiet nördlich von Sacramento eine Dürre von 2011 bis 2017 erlebt. In diesem Jahr hat es seit Mai fast nicht geregnet.

Vor Ablauf der ersten Stunde war klar, dass alle EinwohnerInnen von Paradise gefährdet waren. Die im Goldrausch gegründete Stadt, die später lange ein Schattendasein führte, ist in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen. Dass sie in einem feuergefährdeten Gebiet lag, war spätestens seit 2008 klar. Damals kam ein anderer Großbrand der Stadt gefährlich nahe. Anschließend erklärte ein Untersuchungsbericht, dass ein Evakuierungsplan, Fluchtwege und sichere Zufluchten für Paradise nötig wären.

Doch in diesem Monat, als die lang befürchtete Katastrophe da war, stellte Bürgermeisterin Jody Jones fest, dass nicht genug Platz auf den Landstraßen war, damit alle 26.000 EinwohnerInnen gleichzeitig fliehen konnten.

Während in Paradise das Feuer loderte, machte die Regierung in Washington die Opfer verantwortlich. In einem Interview mit dem rechten Portal Breitbart News erklärte Innenminister Ryan Zinke, „radikale Umweltschützer“ hätten verhindert, dass der Wald ordnungsgemäß unterhalten würde. Zinke nannte sowohl Finnland, als auch den Schwarzwald in Deutschland als Vorbilder.

US-Regierung will Holzfällerfirmen die Rodung ermöglichen

Als Präsident Donald Trump wenige Tage später, als er mit einer Schirmmütze mit der Aufschrift „USA“ zu Stipvisiten an den beiden Katastrophenplätzen im Norden und im Süden von Kalifornien eintraf, behauptete er, wenn dort der Wald so geharkt würde wie in Finnland, wäre es nicht passiert.

Tatsächlich ist Kalifornien nur für die Pflege von drei Prozent seiner Wälder zuständig. Der Rest ist in der Hand der Bundesbehörden. Aber die Kontroverse ist nicht neu. Trump, Zinke und Landwirtschaftsminister Sonny Perdue versuchen, ein Interesse der Bauholzindustrie durchzusetzen: Sie wollen Holzfällerunternehmen das Recht geben, in öffentlichen Wäldern ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen und ohne öffentliche Einspruchsrechte zu roden. In den letzten Tagen haben sie das bestätigt.

Nach Ansicht der ExpertInnen würde die Waldbrandgefahr dann noch größer. Der Waldexperte Chad T. Hanson und der Chef des Sierra-Umweltverbandes Michael Brune nennen große und alte Bäume einen Schutz gegen den Waldbrand. Und nennen Wälder eine wichtige CO2- Reserve.

Helfen könnte hingegen die personalintensive Pflege von Waldboden und trockenem Gras. Unter anderem mit kontrollierten Bränden, die das Unterholz lichten, aber die Bäume verschonen. Gut wären auch Sicherheitsabstände rund um Siedlungen.

Hauptgrund für die Brände in Kalifornien, die zuletzt jedes Jahr großer, länger und zerstörerischer geworden sind, ist für sie der Klimawandel. Er verlängert die Brandsaison, trocknet das Land aus, macht es empfänglicher für Schädlinge und Blitzeinschläge und sorgt für die schnelle Ausbreitung von Bränden. Schreitet die Besiedlung brandgefährdeter Gebiete voran und tun sich PolitikerInnen schwer mit Bauauflagen, werden die Folgen katastrophal.

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