Fast wie auf Jamaika

Die Elektroschlager-Pioniere Der Plan meldeten sich im vergangenen Jahr mit der Platte „Unkapitulierbar“ zurück – einem erstaunlich entspanntem Album, das weniger auf Dada als auf den klassischen Song setzt. Am Donnerstag sind sie zu Gast im Arcaoda

Von René Hamann

Wer lange nicht in Hamburg war, der oder die sei an dieser Stelle gewarnt: Es gibt da einen Platz, der sich einer/einem beim Schlendern von der Schanze zur Reeperbahn ganz plötzlich öffnen kann, und wer ein Ohr für alte Schlager hat, der wird hier fast unfreiwillig und auf transzendentale Weise mit einem Ohrwurm infiziert, der sich lange, lange nicht mehr abschütteln lässt.

Nein, die Rede ist nicht von Hans Albers selbst, diesem merkwürdigen Volkssänger aus wehrmachtsgrauer Vorzeit. Auch nicht von Freddy Quinn oder Heidi Kabel, falls die überhaupt gesungen hat: Die Rede ist von „Kennen Sie Köln?“ der rheinländischen NDW-Band Der Plan mit dem tollen Refrain: „Kennen Sie Köln? Nee! / Meine Braut ist die See“. So machte man sich damals kongenial lustig über den deutschen Schlager, über das verkommene Volkslied von der Reeperbahn nachts um halb eins, und schaffte es gleichzeitig, Zeitgeist einzufangen und auszustrahlen.

Elektroschlager, so nannten die Jungs aus Düsseldorf (und Solingen!) ihre eigene Musik damals, an der Wende von den paranoiden Siebzigern zum kaputten Glamour der achtziger Jahre. „Neue Deutsche Welle“ war das große Label, das dann schnell kam, als sich die Industrie auf das Phänomen stürzte, weil sie das große Geld witterte.

Deutsche Musik mit deutschen Texten, die nicht reaktionär war, sondern witzig und was für die Jugend! Das gab es vorher noch nie. Die ZDF-Hitparade öffnete ihre Schleusen, jeder Grundschüler aus Nordrhein-Westfalen setzte sich plötzlich neben Omi aufs Sofa, um Joachim Witt, Ideal, Nichts oder Andreas Dorau bei Dieter Thomas Heck zu sehen!

Nur an Der Plan ging das große Geld dann doch irgendwie vorbei. Vielleicht fehlte das Schmissige, das ja sogar Andreas Doraus „Fred vom Jupiter“ ausmacht, ganz zu schweigen von direkt aufs Radio zielenden, schnelllebigen NDW-Bands wie UKW oder Nena. Der Plan waren noch zu sehr Punk, auch wenn sie von Gitarren und den berühmten drei Akkorden nie etwas wissen wollten. Dafür hatten sie einen Sinn für Avantgarde, für das Schräge und Dadaistische; der ganze Kunstansatz, der vielleicht nicht unähnlich dem war, was von Palais Schaumburg aus Hamburg kam. „Gummitwist“, „Alte Pizza“ und „Da vorne steht ne Ampel“ waren kindgerechte Hits, deren hintergründiger Humor zu viel für ebendiese waren. Da zogen die Zoten der Spider Murphy Gang irgendwie besser, warum auch immer.

So waren die Düsseldorfer zwar stets am Puls der Zeit, hatten aber gleichzeitig zu viel punkige Renitenz am Start, um den großen Durchbruch zu schaffen. Und irgendwann war die Neue Deutsche Welle dann auch abgeebbt. Für den „Gummitwist“, eine ironischen Eloge auf die „Sesamstraße“ („Woher weht der Wind von morgen, / wozu wird das Ding gebaut? / Wonach schreit der Mensch von heute, / wer hat mein Gehirn geklaut? // Ich frage Leute auf der Straße, in der U-Bahn, im Büro, / alle woll’n Computer haben, / keiner weiß genau wieso“), war es 1984 einfach schon zu spät. Danach folgten die auch im musikalischen Sinne bleiernen Kohl-Jahre, der untote Deutschrock kam zurück, Der Plan verzettelte sich in seltsamer Klangkunst und Malerei. 1987 erschien noch, weitgehend unbeachtet, „Es ist eine fremde und seltsame Welt“, vier Jahre später knallte ein letztes Mal „Die Peitsche des Lebens“, dann folgte lange nichts mehr.

Jetzt ist Der Plan wieder auf denselben getreten. Letztes Jahr erschien die Platte „Unkapitulierbar“, mit der sich Moritz Reichelt alias Moritz R®, Frank Fenstermacher und Kurt Dahlke alias Pyrolator zurückmeldeten; ein erstaunlich entspanntes, nach außen hin politisches Album, das weniger auf Dada, mehr auf den klassischen Song setzt. Mehr Europa als Deutschland, auch. „Die Musik fließt smooth zwischen Synthie-Seligkeit und Verfremdung in immer wieder eingängige Melodien und Texte mit speziellem NDW-Retro-Humor“, wie Steffen Greiner damals in dieser Zeitung schrieb (taz vom 30. 6. 2017). Man könnte angesichts von Songtiteln wie „Es heißt: die Sonne“, „Come Fly with Me“ oder „Was kostet der Austritt?“ natürlich auch von einem neuen Eskapismus reden, der es sich auf der neuen Platte gemütlich macht. Das schunkelt und schaukelt fröhlich plätschernd vor sich hin, fast wie auf Jamaika, bleibt dabei aber natürlich immer im Elektrofachgeschäft, wie es sich für Der Plan gehört. Verschwunden ist das Eckige, der unsauber schräg ins Lied einfallende Quietschesound, das metallen Scheppernde, die ausgefallene Klang­idee.

Jetzt gehen sie auf Tour, und man darf gespannt sein, wie Der Plan denselben umsetzt, ob also die drei älter gewordenen Herren noch einmal das Irre performen werden wie damals im Ratinger Hof (wer dabei war, soll mal kurz mit dem Grabstein wackeln), oder ob sie sich ganz altersgemäß hinter der Technik verschanzen, die ja schon immer für sie gesprochen hat. In ihren frühen Videos lebten sie ihren Kunstwillen aus; die Nähe zur Düsseldorfer Kunstszene hat die Performance von Der Plan immer schon geprägt – mal sehen, was inzwischen daraus geworden ist.

Album Release im Arcaoda

Foto: Foto:Oliver Schultz-Berndt

1979 in der deutschen Punkwelle als rein elektronische Combo gegründet, gelten Der Plan als Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle. Ab der zweiten Platte, „Normalette Surprise“, entwickelte sich die Elektronik in Richtung Pop. Fast jedes Lied besitzt Hitpotenzial. Die Texte pendeln zwischen Sarkasmus und Albernheit. Der Plan selbst bezeichnen ihre Musik als „elektronischen Schlager“, der maßgeblich Einfluss auf Elektroschlager-Pioniere wie etwa Andreas Dorau nahm. Im Arcaoda stellt die Band ihr erstes Album nach 25 Jahren vor – mit einem Dogma im Namen: „Unkapitulierbar“.

Der Plan: Arkaoda, Karl-Marx-Platz, 22. 11., 21 Uhr, www.arkaoda.com