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: EU billigt Brexit-Deal, Theresa May schreibt „Brief an Nation“

Bei einem Sondergipfel in Brüssel haben die 27 verbliebenen EU-Staaten den Austrittsvertrag für Großbritannien abgenickt. Die Briten können geordnet gehen – wenn sie das noch wollen

Das Neue

Die Europäische Union hat den Weg für einen geordneten Austritt Großbritanniens frei gemacht. Nach 17-monatigen Verhandlungen hat ein Sondergipfel der 27 verbleibenden EU-Staaten am Sonntag in Brüssel dem 585 Seiten dicken Austrittsvertrag, einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen sowie mehreren Zusatzprotokollen zugestimmt. Damit der Brexit-Deal in Kraft treten kann, muss er noch vom Europa- und vom britischen Parlament bestätigt werden. Premierministerin Theresa May kündigte an, dass die Abstimmung noch vor Weihnachten stattfinden soll: „Ich denke, wir haben eine Pflicht als Parlament (…) den Brexit zu liefern.“

Der Kontext

Der Brexit-Deal stand bis zuletzt auf der Kippe. Erst am Samstag zog Spanien seine Drohung zurück, das Abkommen wegen des Streits um das britische Übersee-Gebiet Gibraltar platzen zu lassen. Auch Frankreich, Belgien und mehrere andere Staaten zogen Vorbehalte wegen der Fischerei- und Handelspolitik zurück. Die offenen Fragen wurden in Zusatzprotokollen vorläufig geregelt. Mit keinem Wort gingen die 27 EU-Staaten auf die Regierungskrise in London ein. Während sie in Brüssel tagten, drohte die Chefin der nordirischen Democratic Unionist Party, Arlene Foster, mit ihrem Rückzug aus der Regierung in London. Auch die Rebellion der Brexit-Hardliner in Mays Tory-Partei geht weiter.

Die Reaktionen

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem „historischen Tag, der sehr zwiespältige Gefühle auslöst“. In die Erleichterung über den erfolgreichen Abschluss mische sich „Trauer“. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wertete den Brexit als Zeichen für die „Zerbrechlichkeit“ der EU. „Dies ist ein ernsthafter Moment“, sagte er. Die EU müsse nun mehr denn je an einer „Neugründung“ arbeiten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete den Deal als „das bestmögliche Abkommen für Großbritannien und das bestmögliche Abkommen für Europa“. Es sei auch das „einzig mögliche Abkommen“, Änderungen oder einen „Plan B“ werde es nicht geben.

Die Konsequenz

Trotz der Einigung geht die Zitterpartie um den Brexit weiter. Wenn der Deal wie vereinbart zustande kommt, wird sich für die Briten und die fast drei Millionen EU-Bürger auf der Insel zunächst nicht viel ändern. Während einer Übergangszeit, die mindestens bis Ende 2020 dauert, sollen alle EU-Regeln weiter gelten. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn der Deal im britischen Parlament scheitert. Dann kann es immer noch einen ungeordneten Austritt mit chaotischen Folgen geben. Aus Sicht der EU liegt der Ball nun bei der britischen Premierministerin. May ging denn auch gleich in die Offensive. In einem „Brief an die Nation“ forderte sie ihre Landsleute auf, den ungeliebten Deal zu unterstützen. „Ein neues Kapitel in unserem nationalen Leben beginnt“, versprach sie. Nach dem EU-Austritt am 29. März 2019 werde es einen Moment der „Erneuerung und Versöhnung“ für das ganze Land geben.

Eric Bonse, Brüssel