Zu früh gefreut

Nun gibt es doch wieder Streit um das Esso-Areal am Spielbudenplatz. Nach vier Jahren Verhandlungen droht das Projekt auf den letzten Metern zu scheitern

„Das Narrativ ist ebenso alt wie falsch“

Bernhard Taubenberger, Sprecher der Bayerischen Hausbau

Von Katharina Schipkowski

Eigentlich sollte es ein Projekt werden, das als Vorbild für gelungene Bürgerbeteiligung, als Stadtentwicklung von unten Geschichte schreibt: das Paloma-Viertel, ein gemeinsames Bauprojekt dreier Akteure, die völlig konträre Interessen verfolgen. Der Großinvestor Bayrische Hausbau Gmbh, die Künstler-und-Aktivisten-Initiative Planbude und der Bezirk Mitte haben vier Jahre lang geplant, was auf dem ehemaligen Esso-Areal am Spielbudenplatz gebaut werden soll. Jetzt droht die mühsame Einigung zu scheitern – am Geld, woran sonst.

Dabei hatten die Vertreter*innen von Planbude, Bayrischer Hausbau und Bezirk sich erst im September in glückseliger Einigkeit und Feierlaune präsentiert. Nachdem der städtebauliche Vertrag unterschrieben, das Gutachterverfahren abgeschlossen und die Entwürfe für die verschiedenen Baufelder auf dem Areal festgezurrt waren, schienen alle begeistert. „Das klingt nach sehr viel Einigkeit und ist auch so“, hatte Christoph Schäfer von der Planbude bestätigt. Die Entwürfe der Architekten würden sehr genau das umsetzen, was bei dem Bürgerbeteiligungsprozess herausgekommen sei.

Das ist tatsächlich etwas, worauf die Beteiligten stolz sein können. Vertreter*innen aller drei Seiten beschreiben die mehr als 40 Verhandlungsrunden mit so diplomatischen Formulierungen wie: „Es war nicht immer ganz einfach“.

Aber am Ende stand – zumindest im Entwurf – ein 14.800 Meter großes Wohnareal mit 60 Prozent sozial gefördertem Wohnungsbau und 40 Prozent frei finanziertem, mit kleinteiligem und kieznahem Gewerbe, einem Wohnprojekt mit Skatepark und begehbaren Dächern und stadtteilbezogene Räume für Initiativen, Musiker*innen, Sozialberatungen und andere nachbarschaftliche Nutzungen. Na gut, ein Hotel konnte der Investor noch durchsetzen, allerdings im Erdgeschoss an der Reeperbahn, wo ohnehin niemand wohnen möchte.

Was kann an diesem Punkt noch schiefgehen? Viel, fürchten Christoph Schäfer und Margit Czenki von der Planbude. Denn genau der Teil, der das Areal zu etwas Besonderem machen sollte, der „Nachbarschaftscluster“ heißt, weil dort die stadtteilbezogene Nutzung geplant ist, droht nicht zustande zu kommen.

Dabei hat sich die Bayrische Hausbau bereiterklärt, den Besitz an diesem kleinen Areal, das 1.346 Qua­dratmeter umfasst, herzugeben. Sie würde auch die Baurechte für 800 Euro pro Quadratmeter, also weit unter Verkehrswert, abgeben. Für die Planbude ist das sehr wichtig, denn sie will ihr „Herz des Stadtteils“ nicht auf einem fremden Grundstück errichten. Sie will es dauerhaft dem Markt entreißen, deren große Player trotz aller Kompromisse am Ende doch nur den Profit kennen.

Auf den Modellplänen schließt an das „Nachbarschaftscluster“ eine Fläche für ein Wohnprojekt an, das von einer Baugruppe entwickelt werden soll. Und hier liegt das Problem – denn das wird teuer. Hamburg ist im Bauboom, deshalb haben sich die Preise für Baufirmen in den letzten Jahren massiv erhöht. Die Förderkonditionen der Stadt wurden noch nicht daran angepasst.

Die Baugruppe müsste einen Eigenanteil von mehreren Millionen Euro aufbringen – aber gleichzeitig nachweisen, dass sie kein Geld hat, weil sie sonst keinen Anspruch auf städtische Förderung hat. Das ist unmöglich.

War das nicht alles vorher klar? Nicht allen. Die Planbude war davon ausgegangen, dass die Bayrische Hausbau sich nicht für die Sozialwohnungen auf dem Gesamtareal interessiert. Sie dachte – und so habe es die Bayrische Hausbau laut Christoph Schäfer auch dargestellt –, dass sie die 60 Prozent Sozialwohnfläche zum Beispiel an eine Genossenschaft verkaufen würde. Die Genossenschaft hätte auch den Grund und Boden für das „Nachbarschafts­cluster“ kaufen können.

Aber die Bayrische Hausbau will den Großteil ihres Areals gar nicht verkaufen. Sie will viel lieber selbst die Sozialwohnungen entwickeln. Das hat sie vor zwei Wochen klargestellt. Die nun gesuchte Baugruppe wäre auf sich allein gestellt. Falls sich keine findet, fällt das Teilgrundstück zurück an die Bayrische Hausbau. Das wäre dann das Ende für das „Nachbarschaftscluster“ – und die Planbude würde das Projekt verlassen.

Die Bayrische Hausbau bestreitet, jemals in Aussicht gestellt zu haben, einen großen Teil des Grundstücks an eine Genossenschaft zu verkaufen. „Dieses Narrativ ist ebenso alt wie falsch“, sagt deren Sprecher Bernhard Taubenberger. Man habe sich seit Beginn der Verhandlungen alle Optionen offengehalten, auch, das Grundstück komplett in den Bestand der Bayerischen Hausbau zu nehmen. Die Panik der Planbude hält Taubenberger nun für kontraproduktiv.

Damit der Traum von der Nachbarschaftsoase auf St. Pauli auf den letzten Metern nicht platzt, sucht die Planbude jetzt eine Stiftung. Die sollte möglichst Boden und Baurecht des Teilgrundstücks erwerben und in Erbpacht an die Baugemeinschaft übergeben. Und wenn das nicht klappt, könnte immer noch die Stadt einspringen.