Keine Filmschau nach Nazi-Drohungen: Schule sagt Feine Sahne Fischfilet ab

Vor einer Schulvorstellung des Films „Wildes Herz“ erhält eine Schule in Schleswig-Holstein Nazi-Drohungen. Die Ausstrahlung wird abgesagt.

Gefährliche Vorstellung? Nazis drohen Schülern, die den Film über Feine Sahne Fischfilet sehen wollen Foto: dpa

BERLIN taz | Wenn die Schüler und Lehrer im Kino ankämen, werden sie auch da sein, drohen die „Enkel von Adolf Hitler“. Und „mit 7,62 mm Vollmantelgeschossen aus Sturmgewehren“ die Lehrer, die „Volksverräter“, erschießen sowie das ganze Kino mit Sprengstoff in die Luft jagen. Auf diese Drohung hin, die per Mail an eine Schule in Timmendorfer Strand und ein Kino in Bad Schwartau in Schleswig-Holstein ging, sagte das Kino die Vorstellung ab.

Gezeigt werden sollte im Rahmen der Schulkinowochen nicht irgendein Film, sondern „Wildes Herz“, die Dokumentation über die linke Punkband Feine Sahne Fischfilet. Die Schulkinowochen sind ein Projekt des Netzwerks „Vision Film“ unter Beteiligung der Bildungsministerien, bei dem Schulklassen Sondervorstellungen besuchen und pädagogisch wertvolle Filme gucken.

„Wildes Herz“, der Film von Charly Hübner und Sebastian Schultz, hat mehrere Preise gewonnen und wurde mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ ausgezeichnet. Er portaitiert den Sänger Jan „Monchi“ Gurkow und schildert das hartnäckige Engagement der Musiker gegen Nazis, vor allem in ostdeutschen Kleinstädten.

In einer Rundmail informierte „Vision Kino“ am Dienstag die Schulbehörden und Staatskanzleien mehrerer Bundesländer, in denen innerhalb der nächsten Wochen ebenfalls Schulkinowochen stattfinden. Auch in Berlin, Hamburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt haben die Kinos, die an dem Bildungsprojekt teilnehmen, die Feine-Sahne-Doku in ihrem Repertoire.

Bildungsministerium hält an dem Film fest

In dem Schreiben fordert die Geschäftsführerin Sarah Duve die Empfänger*innen auf, „unter Einbeziehung aller relevanten Stellen, insbesondere der Landeskriminalämter, die Entwicklung in Ihrem Bundesland aufmerksam zu verfolgen und zu entscheiden, ob der Film weiterhin in Ihrem Bundesland im Programm der Schulkinowochen bleiben soll.“

Die Schleswig-Holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) betont in einer Mitteilung, sie halte nichts davon, den Film aus dem Programm der Schulvorführungen zu nehmen. „Es ist nicht hinnehmbar, dass eine pluralistische Gesellschaft vor extremistischen Drohungen in die Knie geht und sich in ihren Freiheiten beschneiden lässt“, schreibt sie. Die Freiheit der Kunst sei schließlich ein Gradmesser für die demokratische Gesellschaft.

„Die Gefahrenbewertung im Fall der Schule in Schleswig-Holstein bezieht sich ausschließlich auf den konkreten Einzelfall“, sagt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts gegenüber der taz. Der Inhalt der Gefahrenbewertung sei jedoch Verschlusssache. Die Schule möchte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorfall äußern.

Kulturkampf gegen linke Debatten

Mit ihrem Kulturkampf gegen linke Debatten und kritisches Denken sind die anonymen Nazis in Schleswig-Holsein nicht allein – sie bekommen ideologische Unterstützung aus der CDU. Der Generalsekretär der CDU Thüringen, Raymund Walk, hatte sich Ende Oktober gegen die Schulvorstellungen der Dokumentation ausgesprochen. Für ihn trage Feine Sahne Fischfilet, die in ihren Texten auch eine linke Kritik am deutschen Staat äußern, zur Spaltung des Gesellschaft bei.

Auch ein Kino in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern hatte im Sommer auf die Ausstrahlung des Films verzichtet. Nachdem die Entscheidung der Betreiber*innen im Kulturausschuss des Landkreises kritisiert worden war, bot das Kino dem Filmverleih doch noch drei Termine an – alle drei an Tagen, an denen die deutsche Fußballnationalmanschaft bei der WM in Russland spielte.

Dabei war „Wildes Herz“ deutschlandweit ein Kinoerfolg. Im April lief der Film an, die Feuilletons liebten ihn – auch die taz. Den Filmemachern und der Band dürfte die Absage einzelner Kinos nicht viel ausmachen – die Debatten der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass Absagen aus politischen Gründen ihnen nur zu noch mehr Ruhm verhelfen.

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