Italiens Haushaltsdefizit: Salvini spottet über Kritik der EU

Italien reagiert mit Hohn auf die Budget-Empfehlung aus Brüssel. Ändern will die Regierung nichts. Die Zinsen für Staatsanleihen steigen weiter.

Matteo Salvini

„Brief aus Brüssel? Na gut, wir warten auf Post vom Weihnachtsmann“: Matteo Salvini Foto: dpa

ROM taz | Die Empfehlung der EU-Kommission, gegen Italien wegen der Haushaltspläne 2019 ein Defizitverfahren einzuleiten, löste in Rom eines ganz gewiss nicht aus: Überraschung. Italiens Regierung aus Fünf Sternen und Lega zeigte sich unbeeindruckt und wiederholte auch am Donnerstag, dass sie eine Änderung ihres Haushaltsentwurfs nicht in Betracht zieht.

In der ihm eigenen, spöttisch herablassenden Art äußerte sich Matteo Salvini, Vizepremier, Innenminister und Chef der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega. „Da ist ein Brief aus Brüssel gekommen? Na gut, wir warten auf Post vom Weihnachtsmann“, erklärte er am Donnerstag in einer Rede beim Einzelhandelsverband. Die Kommission in Brüssel bestehe halt aus „Schreibwütigen, die ihre Zeit damit verbringen, Briefchen zu schreiben, die sie allerdings nicht schrieben, als die Staatshaushalte Schaden im Land anrichteten“.

An dem expansiven Haushalt mit einer geplanten Neuverschuldung von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts will Salvini nicht rütteln: „Ich habe nichts gegen Europa“, legte er nach. „Ich verlange Respekt für das italienische Volk, und ich verlange, dass sie mich nicht zum 100-Meter-Lauf mit Ski­stiefeln an den Füßen antreten lassen.“ Doch Salvini sieht immer noch Möglichkeiten zu einer Einigung mit der Kommission. Der italienischen Regierung jedenfalls gehe es nicht um „einen Zusammenstoß, sondern um eine inhaltliche Ausein­andersetzung“. In deutlich leiseren Tönen, in der Sache jedoch deckungsgleich äußerte sich Ministerpräsident Giuseppe Conte. „Die Regierung ist von der Gültigkeit der Ausrichtung ihres Haushaltsentwurfs überzeugt“, erklärte er. „Wir werden uns am Samstagabend mit Juncker austauschen, und ich hoffe, dass es ein Austausch über unsere Positionen wird.“

Ein „Austausch“ allerdings, in dem nichts zur Debatte steht, wenn man Francesco D’Uva glauben darf, dem Fraktionsvorsitzenden der Fünf Sterne im Abgeordnetenhaus. Italien, behauptet er, respektiere die EU-Regeln „auch mit diesem Haushalt“. Seine Botschaft: „Den Bürgern sagen wir, dass sie nichts zu befürchten haben, weil wir nicht zurückweichen. Wir sind nicht gewählt worden, um die gleiche destruktive Politik der Vorgängerregierungen umzusetzen.“

Märkte entsetzt

Sowenig sich die Position der EU-Kommission in den letzten vier Wochen seit der Vorlage des italienischen Haushaltsentwurfs bewegt hat, so wenig zeigt sich also auch die italienische Regierung bereit, auch nur in bescheidenem Maß ihre Position zu modifizieren. Allerdings weiß auch die Anti-Establishment-Koalition in Rom, dass sie die Rechnung nicht nur mit Brüssel, sondern auch mit den Finanzmärkten machen muss – und die Signale von dort sind nicht gerade ermutigend.

So hat sich der Spread – der Zinsabstand zwischen italienischen und deutschen Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit – in den letzten Wochen bei mehr als 3 Prozent eingependelt; noch unmittelbar nach der Regierungsbildung Anfang Juni hatte er unter 1,5 Prozent gelegen. Italien muss zur Refinanzierung seiner Schulden im Jahr 2019 Anleihen in Höhe von etwa 400 Milliarden Euro platzieren, die dann deutlich höher verzinst werden müssten.

Francesco D’Uva, Fünf Sterne

„Wir sind nicht gewählt worden, um die gleiche destruktive Politik umzusetzen“

Vorher muss die Regierung die Papiere aber erst mal loswerden. In der laufenden Woche versucht die Regierung, eine extra für Kleinsparer ausgelegte Staatsschuldverschreibung mit vierjähriger Laufzeit an den Mann zu bringen. Mit Blick auf diese Auktion hatte Matteo Salvini im Oktober erklärt, er sei „überzeugt, dass die Italiener bereit sind, uns zu unterstützen“. Von dieser Hilfsbereitschaft ist jedoch wenig zu sehen: An den ersten zwei Tagen lief die Auktion miserabel. Es konnten nur Papiere im Wert von 720 Millionen Euro abgesetzt werden. Die Regierung hatte auf die doppelte Summe gesetzt. Schlechter lief eine vergleichbare Auktion nur im Jahr 2012, auf dem Höhepunkt der Eurokrise. Derweil korrigieren sowohl das Statistische Amt des Landes als auch die OECD ihre Wachstumsprognosen für Italien nach unten. Während die Regierung von 1,5 Prozent ausgeht, erwartet die OECD für 2019 nur 0,9 Prozent und das Statistikamt 1,3 Prozent.

Während die Regierung keinen Millimeter nachgibt, äußert die Opposition harsche Kritik. Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi von der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) sprach von „Verantwortungslosen, die die öffentlichen Haushalte ruinieren“ und deren einziges Interesse es sei, bei den im Mai 2019 anstehenden Europawahlen ihren Konsens zu steigern.

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