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: Bildungsreise mit Schabowski

Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern hielt rhetorische Schmankerl bereit. Das gemeine Volk durfte ein bajuwarisches Proseminar bejubeln

Die Jahreshauptversammlung des glorreichen FC Bayern München e.V. war in doppeltem Sinne historisch. Um es deutlicher zu sagen: Die Veranstaltung des großartigen FC Bayern München war eine Bildungsreise erster Güte durch die deutsche und europäische Geschichte. Es geht beim nur selten übertroffenen FC Bayern München ja stets um mehr als nur um Fußball.

Dafür steht zum Beispiel Karl-Heinz Rummenigge, der, neben vielen anderen Talenten, nennen wir nur das modische Auftragen von Lodenmänteln, vor allem ein hervorragender Kenner der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte ist. In seinen Vortrag flocht er geschickt ein Zitat zum Mauerfall des Jahres 1989 ein. Eigentlich ging es um die künftige Trikotfarbe des vortrefflichen FC Bayern München. „Die Farbe Blau wird es nicht mehr geben“, sagte also Rummenigge und versprach fürderhin eine monochrome Konzentration auf die Signalfarbe Rot.

Und das gilt ab wann, Herr Vorstandsvorsitzender der überaus solventen FC Bayern Aktiengesellschaft? „Sofort und unverzüglich.“

Liebe Leser, haben Sie’s gemerkt? Sofort und unverzüglich, dieser Schelm! Besser hätte es der Günter Schabowski anno dazumal nicht machen können, als der erste Sekretär der SED-Bezirksleitung in jener legendären Pressekonferenz mit nur zwei Worten die Grenze niederriss. Vergessen Sie deutsche Historikergrößen wie Heinrich August Winkler oder Jürgen Osterhammel, halten Sie sich künftig an Karl-Heinz Rummenigge, der seine Reden nicht vor ein paar Seminaristen hält, sondern vor Tausenden, vor dem gemeinen Volk.

Aber damit nicht genug. Das bajuwarische Proseminar im wunderschönen Audi Dome hielt noch weitere Schmankerl bereit. Es sollte dem weithin bekannten Präsidenten des FC Bayern München e.V. vorbehalten sein, für den Höhepunkt am Freitagabend zu sorgen. Es war also an Uli Hoeneß, einen unbotmäßigen Redebeitrag – anders kann man diesen Auftritt eines gewissen Herrn Johannes Bachmayr nicht nennen – auf geradezu spitzfindige Art zu kontern. Als dieser Herr Bachmayr, im Grunde nicht mehr als ein sich aufmandelnder Fan, der nach 15 Minuten Ruhm gierte, seine mit Fake News gespickte Rede endlich beendet hatte, da sagte Uli Hoeneß: „Si tacuisses philosophus mansisses; hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“

Uli Hoeneß zitiert die alten Römer

Kann man souveräner mit so einer Schmährede umgehen, als den römischen Schriftgelehrten Anicius Manlius Severinus Boethius zu zitieren, der schon dem Ostgotenkönig Theoderich zu Diensten war – und in brenzliger Lage heute dem Präsidenten des wunderbaren FC Bayern München. Boethius soll einst auf die Frage „Siehst du endlich ein, dass ich Philosoph bin?“ geantwortet haben: „Wenn du geschwiegen hättest, hätte ich es eingesehen.“

Aber wie dem auch sei, äußerst geschickt war auch, dass dieses von Uli Hoeneß in die Halle gespotzte geflügelte Wort in zwei Richtungen davon flatterte und er damit Verwirrung stiftete. Bezog es sich nun auf den schlimmen Lügenbold Bachmayr oder auf Uli Hoeneß selbst, der seinen Boethius zum Anlass nahm, um von der Bühne zu gehen?

„Da waren so viele Unwahrheiten drin, das würde drei Stunden dauern, das zu diskutieren. Ich nehme eine Diskussion auf dem Niveau nicht an“, sagte Uli Hoeneß und ging ab. Später wurde in gewissen Medien die Nachricht verbreitet, Fans hätten gebuht und gepfiffen. Das ist natürlich hanebüchener Unsinn, typisch Lügenpresse. Bei den angeblichen Unmutsbekundungen handelte es sich um volkstümlichen Jubel, Akklamationen der etwas handfesteren Art, wie sie nun mal beim unglaublichen FC Bayern München an der Tagesordnung sind. Markus Völker